Kirchenkreis
Was Chinas Tsingtau und Plettenberg gemeinsam haben
3.5.2025

Von Hartmut Damschen
PLETTENBERG + Als Wilfried Martin von 2006 bis Ende 2013 als Produktionsleiter für eine Armaturenfabrik beruflich in China zu tun hatte, besuchte er auch Qingdao, das ehemalige Tsingtau und staunte nicht schlecht, als er dort, wie in seiner Heimatstadt Plettenberg, eine Christuskirche vorfand. Noch erstaunter war er, als er im Ziffernblatt las: „J.F. Weule, Bockenem am Harz“.
Hier nun die Geschichte dazu: Der deutsche Kaiser Wilhelm II. wollte, ebenso wie andere Staaten Europas, auch Kolonien besitzen. Da kam ihm es gerade recht, sich über die Ermordung von zwei deutschen Missionaren zu empören und entsandte in Absprache mit dem russischen Zar Nikolaus II. Militär zum Schutz von Landsleuten im fernen China. Die Region Kiautschou bot alles, was für einen Stützpunkt wichtig schien: gute Land- und Seeverbindungen und eine verhältnismäßig zentrale Lage. Der chinesische Kaiser war angesichts der militärischen „Überredungskunst“ schließlich einverstanden, das Gebiet von 1898 an nicht zuletzt auch wegen des ausbaufähigen Handels mit Deutschland und Europa auf 99 Jahre an Deutschland zu verpachten.
In dem damaligen Tsingtau entstanden während der 16 Jahre (1914 kam Kiautschou im 1. Weltkrieg, nach der Belagerung von Tsingtau, unter japanische Verwaltung) viele Gebäude, die noch heute ein Pflichtprogramm für Touristen sind. Darunter das deutsche Militärgefängnis, das berühmte Prinz-Heinrich-Hotel, das deutsche Viertel, eine katholische und eine evangelische Kirche. Die evangelische Kirche, die im modern-romanischen Stil gebaut und 1910 ihrer Bestimmung übergeben wurde, ist die noch heute so genannte Christuskirche. Lange Zeit diente sie unter der chinesischen Regierung erst als Tanzsaal, später als Lagerhalle. Gottesdienste waren nicht zugelassen, was sich erst mit der neuen Verfassung 1979 änderte. 1980 wurde die Kirche renoviert und damit auch der Schriftzug an der Turmuhr: „J.F. Weule, Bockenem am Harz“ erneuert.

Im Ruhestand in Plettenberg zurück, sah Martin, dass in der hiesigen Christuskirche das gleiche Uhrwerk von J.F. Weule aus Bockenem verbaut war. Als dann etwas später ein Betreuer für die Plettenberger Uhr gesucht wurde, ergriff Martin die Gelegenheit und kümmerte sich seit dem Juni 2015 ehrenamtlich um das Uhrwerk. Jede Woche zog er die Uhr auf und ließ ihr seinen „Schmierdienst“ angedeihen. Im März 2023 wurde das mechanische Uhrwerk gegen ein elektronisches ausgetauscht. Damit war der Dienst von Wilfried Martin an der Uhr zu Ende. Aber ein besonderes Erlebnis hatte Martin noch kurz vor dem Austausch: „Bis 2019 hatte die Uhr ihre Mucken. Immer wieder blieb sie mal stehen und ich war stinksauer. Als wenn sie es gemerkt hätte – von da an lief sie ohne Probleme. Bis dass sie ausgetauscht werden sollte. Ich lief zwei Tage vorher durch die Stadt und mir fehlte etwas: Das Läuten der Glocken. Die Uhr versagte ihren Dienst. Als ob sie gemerkt hätte, dass sie nicht mehr gebraucht würde.“ Merkwürdig, oder?
Seit 1876 gehört der Klang der beiden Glocken, eine für die Viertelstunden und die andere für die volle Stunde, zur Plettenberger Innenstadt. Viele hören schon gar nicht mehr hin, doch für manche ist es eben auch ein Stück Plettenberg. Wenn in der heutigen Zeit auch etwas nostalgisch anmutend, so war diese Uhr ein Beweis guter, deutscher Handwerkskunst und funktionierender Technik von vor fast 150 Jahren – in Plettenberg und im fernen China.
Was wurde aus der ehemaligen deutschen Kolonie Kiautschou?
Kiautschou wurde zu Beginn des 1. Weltkriegs von japanischen und britischen Kriegsschiffen einer Blockade unterworfen. Heftige Kämpfe begannen, die am 7. November 1914 die Kapitulation der deutschen Streitkräfte und Besetzung durch die Japaner zur Folge hatten.
Im Versailler Vertrag von 1919 stand unter anderem, dass Deutschland auf alle seine Kolonien zu verzichten hatte. Erst 1922 gab Japan das Gebiet wieder an China zurück.
Über die Christuskirche in Qingdao:
Wer mehr über die Geschichte der Christuskirche in Qingdao wissen möchte, kann sich unter https://tsingtau.org/christuskirche-tsingtau-qingdao/ in einem ausführlichen Bericht von Prof. Dr. Wilhelm Matzat im Internet informieren.
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