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Reich beschenkt?! - 13 Jahre Thomasmesse in Herscheid

3.11.2022

Kinder entzündeten Hoffnungslichter – so brachten sich Groß und Klein in den Gottesdienst ein. (Foto: Iris Kannenberg)
Kinder entzündeten Hoffnungslichter – so brachten sich Groß und Klein in den Gottesdienst ein. (Foto: Iris Kannenberg)

HERSCHEID + Nach zweijähriger Coronapause lud die Evangelische Kirchengemeinde Herscheid am Sonntag, 23. Oktober, endlich wieder zu ihrer „Thomas-Messe“ ein. Diese Messe wurde in Finnland „erfunden“ und kam erst Anfang der 90er Jahre nach Deutschland. Der ehemalige Herscheider Gemeindepfarrer Michael Große holte sie in die Apostelkirche – mit durchschlagendem Erfolg. Wenn man die beiden Corona-Jahre abzieht, geht die Thomas-Messe 2022 in ihr 13. Jahr. Mit ungebrochener Beliebtheit. Das Konzept: Ein Team aus Theologen und Laien bereitet die Messe gemeinsam vor. Mit stets anderen Themenschwerpunkten. Das Konzept beinhaltet vor allem eines: Hier wird nicht einfach herumgesessen und konsumiert, sondern der Gottesdienstbesucher ist aufgefordert, sich aktiv an der Messe zu beteiligen. Nach einem Eröffnungsteil mit gemeinsamem Lobpreis, Begrüßung und Predigtanteilen, die von Pfarrer und Team zusammen gestaltet werden, darf die Kirche von den Besuchern ganz persönlich erobert werden. Es gibt verschiedene Kreativangebote, man darf Fürbitten aufschreiben, die später vorgelesen werden, Seelsorge in Anspruch nehmen, Lichter der Hoffnung entzünden oder Bitten in ein „Gedankenbuch“ an Gott schreiben. Zum abschließenden Abendmahl, dem „Vater Unser“ und dem Segen stellen sich die Teilnehmenden dann in einem großen Kreis auf, der das ganze Kirchenschiff umfasst. Das Ende des Gottesdienstes bildet eine Zeit des gemeinsamen Essens, immer umsichtig und kostenlos vom Team der „Thomas-Messe“ bereitgestellt.

Das Team hinter der Thomasmesse: (v.l.) Dorthe Schrader, Christian Schröder, Pfr. Bodo Meier, Karin Froese-Bruns, Anke Türk, Sebastian Prass. (Foto: Iris Kannenberg)
Das Team hinter der Thomasmesse: (v.l.) Dorthe Schrader, Christian Schröder, Pfr. Bodo Meier, Karin Froese-Bruns, Anke Türk, Sebastian Prass. (Foto: Iris Kannenberg)

An diesem Sonntagabend war die 1000 Jahre alte Apostelkirche mit ihrer romanischen Gewölbestruktur wunderschön mit farbigen Scheinwerfern illuminiert. Man fühlte sich als Besucher schon beim Betreten der Kirche wohl und geborgen und konnte sich dem Eindruck, hier einen besonderen Ort zu betreten, nicht entziehen. Begrüßt wurden die zahlreichen Besucher von Karin Froese-Bruns, die die Thomas-Messe vor 15 Jahren mit ins Leben gerufen hat. Sie erklärte einleitend die Struktur der Messe und das Thema „Reich beschenkt!?“.

 

Wer sich über das Fragezeichen wunderte, bekam nach dem ersten gemeinsamen Lied eine schnelle Antwort. Pfarrer Bodo Meier battelte sich nämlich als „Gottvater“ mit dem Teufel in Gestalt von Presbyterin Anja Turk. Wie es denn Usus ist, hatte Gott nur Gutes über die Menschen zu sagen und bestreute sie von oben mit seinen vielen Gaben. In der Messe in Gestalt von Blumen. Und wie es ebenfalls Usus ist, hatte der Teufel auf allen Glauben des Vaters an seine Schöpfung nur Schlechtes zu berichten. Es ging hin und her, bis sich der Vater völlig entnervt mit den Worten „Vielleicht sollte ich aufhören mit dem Verteilen meiner Gaben und das Ganze stattdessen stoppen,“ abwandte. Eine schauspielerische Glanzleistung der beiden Darsteller. Die Besucher durften herzhaft lachen und waren gleichzeitig von der Wahrheit getroffen, die hier so klar und deutlich – komödiantisch verpackt – als Schauspiel vorgetragen wurde: Ein liebender, gütiger Vater, der es gut mit seiner Schöpfung meint, steht einem Widersacher gegenüber, der nichts anderes im Sinn hat, als genau diese Schöpfung zu zerstören. Bei der nachfolgenden Predigt brachte es Pfarrer Bodo Meier dann auch auf den Punkt. „Wem glauben wir? Für welche Wahrheit entscheiden wir uns und was sind wir in dieser Welt? Der Feind versucht, uns mit Angst zu lähmen. Mit seinen „Aber wenn’s“. Aber wenn es einen Stromausfall gibt? Aber wenn es kein Essen mehr gibt? Aber wenn es Krieg gibt? Aber wenn es keine Energie mehr gibt? Alle haben Angst, streamen dennoch munter weiter, als gäbe es kein Morgen, sitzen stundenlang am Rechner und leben weiter wie bisher. Reden jedoch, als wäre die Katastrophe schon da.

Nach der Predigt durften die Besucher aktiv werden und sich im ganzen Kirchenschiff bewegen – so wurde u.a. Blumentöpfe bemalt und Blumen der Hoffnung gepflanzt. (Foto: Iris Kannenberg)
Nach der Predigt durften die Besucher aktiv werden und sich im ganzen Kirchenschiff bewegen – so wurde u.a. Blumentöpfe bemalt und Blumen der Hoffnung gepflanzt. (Foto: Iris Kannenberg)

Hilfe für die Ängstlichen kommt nur von Menschen, die Hoffnung haben und denen man diese auch ansieht. Gott schüttet seinen Segen reichlich aus und macht dabei keine Unterschiede. Wir als Christen sind dabei das gute Land, in das er sät. Jedoch – auch wir haben uns an die schlechten Nachrichten gewöhnt. Dabei ist genug da, um alle ausreichend zu versorgen. Ja, um acht Milliarden Menschen ausreichend zu versorgen. Wem glauben wir also? Der Nobelpreisträger Douglas Diamond sagte in seiner Rede zur Verleihung des Preises: „Selbst die große Bankenkrise 2009 hätte verhindert werden können, wenn alle zuversichtlich geblieben wären.“ Was uns also fehlt, ist Zuversicht. Wer sollte mehr Zuversicht haben als wir Christen? Daher habe ich eine Aufgabe für euch: Denkt darüber nach! Wer soll uns bedrohen? Wer kann uns ängstigen, wenn wir mit Jesus verbunden sind? Gott hat ein Ziel. Dieses Ziel heißt Freiheit, Leben, Auferstehung. Lasst uns Gottes Kinder sein, die aufstehen und verkünden: Niemand muss Angst haben, denn der Schöpfer des ganzen Universums ist FÜR UNS.“

 

Nach der Predigt durften die Besucher aktiv werden und sich im ganzen Kirchenschiff bewegen. Es wurden Fürbitten geschrieben, Blumentöpfe bemalt und kleine Blumenzwiebeln der Hoffnung eingesät. Es gab gute Gespräche und sehr persönliche Anliegen wurden in das bereit liegende Gebetstagebuch eingetragen. Mit dem abschließenden Abendmahl und dem Segen endete der Gottesdienst dann mit einem entspannten Beisammensein und gemeinsamen Essen.

In einem Gedankenbuch konnten die Besucher ihre Gedanken und Gebetsanliegen aufschreiben. (Foto: Iris Kannenberg)
In einem Gedankenbuch konnten die Besucher ihre Gedanken und Gebetsanliegen aufschreiben. (Foto: Iris Kannenberg)

Die „Thomas-Messe“ ist ein Erfolgsrezept für einen außergewöhnlichen und höchst lebendigen Gottesdienst, den die Apostelkirche Herscheid nun seit mehr als einem Jahrzehnt anbietet. Ein Konzept, dass auch Menschen in die Kirche lockt, die an „normalem“ Gottesdienst keinerlei Interesse zeigen. Der Grund ist wohl, dass Gott hier tatsächlich den Zweifler ganz direkt anspricht. Dass Konventionen wenig bis keine Bedeutung haben und nur eines wichtig ist: Dem lebendigen Gott in all seiner Vielfalt zu begegnen. Als Besucher geht man mit dem Gefühl nach Hause, ihm tatsächlich näher gekommen zu sein. Ohne Steifheit und Vorbehalte, sondern von Angesicht zu Angesicht. Natürlich steht und fällt dieser Gottesdienst mit einem engagierten, liebevollen Team, das mit ganzem Herzen bei der Sache ist. Auch das ist spürbar. Es haben sich die richtigen Menschen für den richtigen Dienst zusammengefunden. Ein bunt gemischtes Team aus Älteren und Jüngeren. Ohne Ansehen der Person, dafür sympathisch und voller Hingabe.

 

Man fühlt sich wohl in diesem Kreis. Dazu kommt die einmalige Atmosphäre eine 1000 Jahre alten Kirche mit ihrer bewegenden Geschichte. An diesem Platz haben Menschen für ihren Glauben eingestanden, für ihn gekämpft und jedem Angriff widerstanden. Es gibt sie immer noch, die Apostelkirche zu Herscheid. Nichts und niemand konnte sie bis zum heutigen Tag zerstören. Sie ist voller Leben und Glauben. Wer sich für das Konzept der „Thomas-Messe“ interessiert, kann gern mit Pfarrer Bodo Meier persönlich Kontakt aufnehmen. Und für alle, die rund um Herscheid wohnen: Lasst sie euch nicht entgehen, die nächste Messe. Es lohnt sich, macht Mut und ist gut fürs Herz, dieser ungewöhnlichen Veranstaltung beizuwohnen. ©ik

Eindrücke von der Thomasmesse (alle Fotos: Iris Kannenberg)

  • Pfarrer Bodo Meier battelte sich als „Gottvater“ mit dem Teufel in Gestalt von Presbyterin Anja Turk (im Bild).

  • Pfarrer Bodo Meier hielt die Predigt.

  • Karin Froese-Bruns entzündete mit den Besuchern des Gottesdienstes Hoffnungslichter.

  • Das Essen im Anschluss durfte nicht fehlen.

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