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Dieter Löbel: "Prävention ist eine Haltung"

24.9.2020

Dieter Löbel: "Prävention ist keine Technik. Prävention ist eine Haltung." Foto: Wolfgang Teipel
Dieter Löbel: "Prävention ist keine Technik. Prävention ist eine Haltung." Foto: Wolfgang Teipel

Lüdenscheid. Jeden Tag erleiden Kinder und Jugendliche sexuelle Gewalt. Die spektakulären Fälle in Bergisch-Gladbach und Lüdge haben viele Menschen aufgeschreckt. Zu ihnen zählt Manuela Mayer. Anlässlich des Weltkindertages hatte sich am 20. September zu einer Gedenkstunde auf den Rathausplatz eingeladen. „Leider ist das Thema jetzt auch in Lüdenscheid angekommen“, sagte sie vor zahlreichen Teilnehmer dieser Gedenkstunde  Umso wichtiger sei es, ein Zeichen gegen jede Art von Gewalt zu setzen.

 

Als Experten hatte sie Ansgar Röhrbein, Leiter des Märkischen Kinderschutzzentrums, Sebastian Wagemeyer, Leiter des Zeppelin-Gymnasiums und Dieter Löbel, Familientherapeut bei der Psychologischen Beratungsstelle der Diakonie, eingeladen.

Manuela Mayer hatte die Gedenkststunde auf dem Rathausplatz organisiert. Foto: Wolfgang Teipel
Manuela Mayer hatte die Gedenkststunde auf dem Rathausplatz organisiert. Foto: Wolfgang Teipel

Ansgar Röhrbein verdeutlichte zunächst der Ausmaß sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Man müsse davon ausgehen, dass in jeder Schulklasse ein bis zwei Kinder von Missbrauch betroffen seien. Oftmals nutzten die Täter Machtpositionen und die Abhängigkeit ihrer Opfer aus. Damit sich Betroffene öffnen und über ihre Erfahrungen sprechen könnten sei ein vertrauensvolles Umfeld nötig. Offen sei, wie hoch der Anteil der Missbrauchsopfer sei, die ihre Erfahrungen bei entsprechender Hilfe ohne größere langfristige Schäden überwinden könnten.

 

Ganz entscheidend sei das Thema Prävention, betonte Familientherapeut Dieter Löbel. „Prävention ist keine Technik. Prävention ist eine Haltung. Sie muss tagtäglich gelebt werden“, forderte er. Nur so könne sexueller Gewalt erfolgreich begegnet werden. Die zahlreichen Fälle in großen Institutionen, die seit 2005 bekannt geworden seien, hätten viele Einrichtungen zur Auseinandersetzung mit dem Thema und zum Handeln gezwungen.  „Seitdem ist auch viel Gutes geleistet worden“, sagte der Familientherapeut.

Einen hundertprozentigen Schutz gegen sexuelle Gewalt gebe es allerdings nicht. Deshalb sei es wichtig, das Selbstbewusstsein von Kindern und Jugendlichen zu stärken und Erwachsene auf Täterstrategien hinzuweisen.

Sebastian Wagemeyer wies auf die Bedeutung des sozialen Miteinanders an den Schulen hin. Foto: Wolfgang Teipel
Sebastian Wagemeyer wies auf die Bedeutung des sozialen Miteinanders an den Schulen hin. Foto: Wolfgang Teipel

Schulleiter Sebastian Wagemeyer wies auf die Bedeutung des sozialen Miteinanders hin. Es biete Chancen, Zeichen für Missbrauch zu entdecken. Aber: „Lehrerinnen und Lehrer sind keine Fachleute für Kindeswohlgefährdung und sexuelle Gewalt.“ Schulen fehle es oftmals an Fachpersonal, insbesondere Sozialpädagogen, um in Verdachtsfällen schnell und angemessen reagieren zu können. Vor diesem Hintergrund warnte Wagemeyer davor, alle Anstrengungen auf die Digitalisierung von Schule zu lenken.

Manuela Mayer beendete die Veranstaltung, die von den ChrisDana Twins musikalisch begleitet wurde, mit einigen sehr persönlichen Worten.

 

 

Liebe Kinder,

wenn ich mit für Euch etwas wünschen könnte:

dass Menschen gar nicht erst zu Täterinnen und Tätern werden,

dass Ihr ein offenes Ohr findet bei allem, was Ihr erlebt habt

dass Ihr Euch nicht allein fühlt und von Menschen umgeben seid, die für Euch da sind

dass der Mut in Euch groß wird, über das zu sprechen, was Euch geschehen ist

dass die Wunden und Narben heilen

dass es mehr Fachkräfte gibt, die Dein Vertrauen gewinnen

dass finanzielle Mittel für den Kinderschutz zur Verfügung stehen

dass Politiker für Dich eintreten und es angemessene Strafmaße gibt

Liebe Kinder, wenn ich mir etwas für Euch wünschen dürfte,

dass Ihr Euch wieder frei fühlt und mutig nach vorn schauen könnt.

 

Der Bühnenbereich war mit Kinderstiefeln und -schuhen markiert. Foto: Wolfgang Teipel
Der Bühnenbereich war mit Kinderstiefeln und -schuhen markiert. Foto: Wolfgang Teipel

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