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Barmherzigkeit üben: Der ökumenische „Gottesdienst für Unbedachte“

21.11.2025

Gemeinsame hielten Superintendent Dr. Christof Grote (Evangelischer Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg), Gemeindereferentin Sandra Ostermann (Katholische St. Medardus-Kirche) und der amtierende Bürgermeister von Lüdenscheid - Sebastian Wagemeyer – den Gottesdienst (Foto: Kannenberg)

Von Iris Kannenberg

 

LÜDENSCHEID + In der letzten Woche fand im Pfarrsaal der Katholischen St. Medardus Kirche in Lüdenscheid ein besonderer ökumenischer Gottesdienst statt: Der „Gottesdienst für Unbedachte“. Jedes Jahr sterben in Deutschland viele hundert Menschen, ohne Beistand, ganz allein und ohne eigenes Grab. An einigen Orten laden deswegen die Kirchen – gemeinsam mit der Stadt – zu dieser Gedenkfeier ein. Ziel ist es, den „Unbedachten“ ein Stück Würde zurückzugeben und ihnen im Tod das zu schenken, was ihnen im Leben oft versagt blieb: Aufmerksamkeit, Mitgefühl und ein letztes ehrendes Gedenken. So hatten in der vergangenen Woche die Stadt Lüdenscheid, die katholische Pfarrei St. Medardus und der Evangelische Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg zu einem ökumenischen Gottesdienst eingeladen, in dem man 40 Verstorbene innerhalb eines Jahres gedachten, die ohne Beistand verstorben waren.

 

Geleitet wurde der Gottesdienst von Superintendent Dr. Christof Grote (Evangelischer Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg), Gemeindereferentin Sandra Ostermann (Katholische St. Medardus-Kirche) und dem amtierenden Bürgermeister Sebastian Wagemeyer. Die musikalische Gestaltung übernahm der ehemalige Kantor der Kirche Johannes Köstlin.

 

In bewegenden Worten betonte der Bürgermeister der Stadt die Bedeutung dieser Feier: Sie sei ein kraftvolles Zeichen der Solidarität, Barmherzigkeit und Hoffnung. In einer Zeit, die oft als kalt empfunden werde, sei es umso wichtiger, als Christen gemeinsam an diese Menschen zu denken und ihre Namen zu nennen. „Niemand ist vergessen. Jeder war einzigartig und hat eine letzte Würdigung verdient. Von daher bejahe ich diesen jährlichen Gedenkgottesdienst von ganzem Herzen und freue mich, dass er heute so gut besucht ist. Danke dafür!“

 

Das Leitwort des Abends stammte aus Jesaja 49,16: „Gott spricht: Ich habe Dich eingezeichnet in meine Hände.“ In ihrer Predigt verdeutlichte Sandra Ostermann die Bedeutung der Hände – sie sind beschützend, schenken Nähe und erzählen vom Leben: „Wie wichtig sind unsere Hände. Hände, die beruhigen. Die trösten und halten. Hände, die Nähe und Zuneigung schenken, führen und Halt geben, wenn wir uns unsicher fühlen. Hände gezeichnet vom Alter oder der Arbeit. Sie erzählen so viel vom Leben. Sie erzählen von Vertrauen, von Liebe und sind ein Zeichen der Verbundenheit. Gott spricht uns in seinem Wort zu: „Ich habe deinen Namen in meine Hände eingezeichnet. Dieses Bild ist stark und tröstlich zugleich. Heute Abend legen wir das Leben von 40 Lüdenscheidern in Gottes Hände. Voll Vertrauen, dass Gott sie erlöst und sie zu sich gerufen hat.“

 

Superintendent Dr. Grote ergänzte, dass Gott gerade dann, wenn wir uns am einsamsten fühlen, besonders nah sei. In Gottes Hand seien wir geborgen und niemals abgeschrieben. Der Glaube an Jesus Christus eröffne jedem Menschen eine Perspektive des Lebens, die über den Tod hinausreiche. Gleichzeitig rief er dazu auf, im Alltag achtsam zu sein und gerade die Menschen im Blick zu behalten, die Gefahr laufen, vergessen zu werden.

 

Dann folgte das zentrale Ritual des Abends: Die Namen der 40 Verstorbenen wurden einzeln vorgelesen und für jeden eine Kerze entzündet. Dieser Akt machte die Abwesenden noch einmal gegenwärtig und schenkte ihnen posthum eine Würde, die sie im Leben vielleicht nicht erfahren hatten. Es war ein Moment einer fast heiligen Stille, des Respekts und der Gemeinschaft – für die Toten und die Lebenden.

 

Der ökumenische „Gottesdienst für Unbedachte“ in Lüdenscheid ist ein wichtiger Akt der Barmherzigkeit und des Gedenkens. Ein Abend der den einsam verstorbenen vielleicht ein letztes Mal einen Namen gibt. 40 Menschen, ganz allein im Leben und im Tode. Das sind viele für so eine kleine Stadt wie Lüdenscheid. Die Feierlichkeit machte sie tatsächlich noch einmal sichtbar und gab ihnen eine Ehre, die sie vermutlich so in ihrem Leben nicht gekannt haben.

 

Der Gottesdienst diente zudem als Aufruf an die Bleibenden: Wachsam und barmherzig zu sein, sich um die Einsamen und Ausgegrenzten zu kümmern und nicht wegzusehen. Licht und Salz zu sein, gerade für diejenigen, die in unserer erfolgsorientierten Welt keinen Namen und keine Ehre besitzen. Ihnen von Jesus zu erzählen: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat“ (Johannes 3,16). Alles in allem ein Gedenken, das berührte, nachdenklich stimmte und Hoffnung schenkte – als sichtbares Zeichen dafür, dass niemand vergessen ist, weder im Leben noch im Tod.

Bildimpressionen des Gottesdienstes für 'Unbedachte' (alle Fotos: Kannenberg)

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