Aktuelle Artikel
"Der Splitter im Auge des Bruders"
2.3.2025

Im Sonntagsevangelium (Lukas 6, Verse 39 bis 45) spricht Jesus in einigen kurzen Gleichnissen zu seinen Jüngern. Dabei fällt auch der bekannte Satz: „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht?“ (Vers 41). Ich musste dabei sofort an die sozialen Medien wie beispielsweise Facebook denken. Wir wissen alle wie einfach es dort ist, sofort die Fehler der anderen zu sehen und zu verurteilen. Mit gewaltiger Empörung reagieren wir oft auf andere Meinungen und wir scheuen uns auch nicht aus der Masse der vermeintlichen Richter heraus mit Worten zuzuschlagen, weil man sich zusammen mit den anderen im Recht sieht.
Wenn ich aber die Worte Jesu einmal der Reihe nach betrachte, dann fällt auf, dass der Bruder in diesem Gleichnis tatsächlich einen störenden „Fehler“ nämlich den Splitter in seinem Auge hat. Ganz bestimmt hat er aber auch Schmerzen dadurch. Dieser Gedanke bringt mich dann dazu, dass auch der Verfasser jenes Postings bei Facebook, welches ich so verurteile, seine Worte vielleicht in einem Schmerz geschrieben hat, den ich überhaupt nicht nachvollziehen kann. Für mich ist es einfach: Fehler ist Fehler, basta.
Aber dann wird Jesus in dem Gleichnis deutlicher und er spricht von einem Balken in meinem Auge. Was für eine Übertreibung, aber es trifft den Kern. Niemand hat mich oder jemand anderen zum Richter über meinen Bruder beziehungsweise meine Mitmenschen ernannt. Bevor ich also austeile, sollte ich kurz nachdenken, wie viele Balken schon aus meinen Augen gezogen werden mussten und dann wird der Splitter, den ich beim anderen wahrnehmen auf einmal völlig nebensächlich und ich bin in der Lage zu tolerieren und zu vergeben. Gott liebt den Menschen und er hasst das Böse, egal ob Splitter oder Balken.

Dipl.-Ing. Hans-Joachim Waibel,
stellv. Vorsitzender des Kirchenvorstandes der katholischen Pfarrei St. Medardus