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Dankesgottesdienst zum 35. Jubiläum der „Deutschen Wiedervereinigung“
18.10.2025

Von Iris Kannenberg
LÜDENSCHEID + Am 3. Oktober 2025 versammelten sich zahlreiche Menschen auf dem Rathausplatz in Lüdenscheid, um gemeinsam den 35. Jahrestag der Wiedervereinigung Deutschlands zu feiern. Der Dankesgottesdienst war – trotz des zunächst unbeständigen Wetters – geprägt von Feierlichkeit aber auch von fröhlichem Beisammensein.
Die Leitung und Organisation übernahm hauptverantwortlich, wie auch in den vergangenen Jahren, Irmtraut Huneke, die als 1. Vorsitzende der Evangelischen Allianz Lüdenscheid die Veranstaltung maßgeblich prägt. Unterstützt wurde sie durch die überkonfessionelle Initiative „Gemeinsame Wege“ sowie „Sound of Centuries“-Bühnentechnik unter der Leitung von Nicolas Leitgeb. Er ist der Veranstaltung seit Jahren treu verbunden und sorgt stets für einen reibungslosen technischen Ablauf.
Musikalisch wurde der Gottesdienst von einer Projektband begleitet. Besonders hervorzuheben: Die Sängerin Annika Kögler, deren ausdrucksstarke Stimme das Publikum mitriss. Unterstützt wurde sie von drei „coolen Jungs“, Falco Pithan, Thomas Tetzlaff und Markus Opterbeck, die gemeinsam mit ihr dafür sorgten, dass die Zuschauer mitsangen, klatschten und einige sogar ein kleines Tänzchen wagten.
Bürgermeister Sebastian Wagemeyer eröffnete die Veranstaltung mit einem bewegenden Grußwort. Er betonte die Einzigartigkeit und das große Geschenk der Wiedervereinigung und hob hervor, dass die friedliche Revolution von 1989/1990 ohne Blutvergießen ein historisches Wunder sei. Er appellierte daran, das Verbindende über das Trennende zu stellen, achtsam miteinander zu reden und im gegenseitigen Vertrauen gemeinsame Herausforderungen anzugehen. Seine Worte unterstrichen die Bedeutung von Zusammenhalt, Hoffnung und Mut, um aktuelle globale Probleme zu bewältigen. „Man kann nicht ermessen, wie groß das Geschenk der Wiedervereinigung ist. Vor 35 Jahren war das ein Umsturz, ohne dass Menschen dabei gestorben sind. So etwas hat es vorher nicht gegeben in der Geschichte, es ist ein Wunder…dieses Wunder ist ein Riesenprivileg. Wir sollten uns daher nicht spalten lassen, sondern das Verbindende über das Trennende stellen. Nicht übereinander reden, sondern miteinander. Im gegenseitigen Vertrauen. Anders werden wir die Probleme und die weltweiten Herausforderungen nicht bewältigen. Das geht nur zusammen. Deshalb ist es so wichtig, sich immer wieder daran zu erinnern, was vor 35 Jahren geschehen ist und daraus Kraft und Zuversicht für die Zukunft zu schöpfen.“
Ein besonderer Moment der Veranstaltung war das Interview mit Matthias Lange, Brückenbauer und Zeitzeuge aus der ehemaligen DDR. Unter Applaus berichtete er von seiner bewegenden Lebensgeschichte. Die Talbrücke der A45, deren Neubau er leitet, steht für ihn symbolisch für die Verbindung und Überwindung von Hindernissen – ein passendes Bild zum Tag der Wiedervereinigung. Die Brücke musste 2021 komplett gesperrt werden, da sie zusammenzustürzen drohte. Seitdem wird der Verkehr, der eigentlich über die A45 gehen sollte, durch Lüdenscheid umgeleitet. Trotz mittlerweile vielen durchaus gelungenen Versuchen, Menschen davon abzuhalten, durch die Stadt zu fahren, ist genau das auch nach fünf Jahren immer noch eine verkehrstechnische Katastrophe für Lüdenscheid, der sich der Ort täglich stellen muss. Matthias Lange hat nun einen Rekord aufgestellt. Die Brücke wird sehr viel schneller fertig als geplant.
Er selbst kommt aus der ehemaligen DDR, genauer gesagt aus dem Erzgebirge. Bereits seine Eltern waren Christen und er wuchs christlich auf. In einem System, das sich auf die Fahnen geschrieben hatte, den Glauben massiv zu bekämpfen kein einfaches Leben. Er musste sich bereits früh dafür entscheiden, Jesus bewusst zu folgen. Mit allen Konsequenzen. In der DDR gab es für Gläubige kein „lauwarm“, sondern nur ein entweder oder. Matthias Lange berichtete davon, dass man die Kinder christlicher Familien bereits im Kindergarten und in der Schule drangsalierte. Sie wurden ausgeschlossen, verhöhnt, niemals für irgendetwas ausgezeichnet, selbst wenn sie Bestleistungen brachten und sie durften nicht studieren. So wurde aus Matthias Lange ein Stahl- und Betonbauer. Was sich im Nachhinein als Segen herausstellte. Er erzählte: „Zu den Drangsalierungen gehörte auch, dass ich zu den sogenannten „Bausoldaten“ zwangsweise eingezogen wurde. Wir wurden kaserniert, insgesamt 480 „Systemfeinde“. Wir wurden sehr schlecht behandelt und mussten 12 Stunden täglich arbeiten. Meinen ältesten Sohn durfte ich das erste Mal sehen, als er bereits vier Monate alt war.“
Trotz dieser Widrigkeiten blieb er seinem Glauben treu und erfuhr die friedliche Revolution als eine gigantische, fast unfassbare Gebetserhörung. Die Montagsdemonstrationen, die ihren eigentlichen Ursprung in den Kirchen hatten, waren für ihn die Folge der vielen gemeinsamer Gebete und einer ungebrochenen Hoffnung auf Veränderung. Über Jahrzehnte hinweg.
Besonders bewegend schilderte er den Tag des Mauerfalls: „Der ganze Mauerfall war ein komplettes Wunder Gottes. Da hat sich jemand vom Politbüro vor laufenden Kameras versprochen und aus Versehen die Grenzen geöffnet. Das werde ich niemals vergessen. Wir sind als erstes zu unseren Nachbarn gegangen, es war bereits spät in der Nacht, und haben dort miteinander angestoßen. Das Ganze war völlig surreal. Dann haben wir uns in unserem Trabant gesetzt und sind nach Bayreuth gefahren. Mit zwei Babys im Wagen wohlgemerkt. Als wir Stunden später zurück nach Hause wollten und nicht sicher wussten, dass wir auch wieder zurückkommen, lernten wir dort westdeutsche Christen kennen, die uns zu sich nach Hause einluden. Dort konnten wir erst einmal runterkommen und ausruhen. Und gemeinsam feiern. Es war ein unglaubliches Gefühl. Das kann man nicht beschreiben. Mit den Bayreuther sind wir übrigens immer noch befreundet. Sie haben uns gerade am Anfang sehr dabei unterstützt, in dieser neuen, für uns völlig fremden Gesellschaft klarzukommen.
Später habe ich dann meine berufliche Qualifikation erweitern können. Heute bin ich selbstständig und weltweit unterwegs, zu 80% in Westdeutschland. Mich erfüllt immer noch sehr große Dankbarkeit, wenn ich an meine oft bedrückende Vergangenheit in der DDR zurückdenke. Für die gewonnenen Freiheiten, die Möglichkeit, meinen Beruf auszuüben und meine Kinder lernen lassen zu können, was immer sie wollen. Mit zehn Kindern und mehreren Enkeln empfinde ich mein Leben als über allen Maßen gesegnet.“
Abschließend fragte Irmtraut Huneke ihn, was ihm jetzt gerade besonders wichtig sei. „Ganz wichtig ist für mich, dass ich euch dabei helfen kann, dieses „Monster“, das über eure Stadt führt, so schnell wie möglich fertig zu bekommen. Ich bin jetzt seit fast einem Jahr hier in Lüdenscheid. Auf der Brücke auf der Südseite ist mein Büro. Ich bin verantwortlich für den Stahlbau und leite ein Team von siebzig Leuten. Was mir auch da sehr wichtig ist, ist das Gebet. Meine Frau und ich beten jeden Abend, wenn wir telefonieren für unsere Mitarbeiter, dass alles ohne Unfälle fertig wird und wir zügig durchkommen mit dieser riesigen Baustelle.“
Nach dem eindrucksvollen Zeugnis von Matthias Lange folgte Musik und unter der Leitung von Hans Ferkinghoff das „Vater Unser“ und der Segen. Die Veranstaltung endete in einer Atmosphäre voller Hoffnung, Dankbarkeit und Glaubensstärkung. Die Worte und Erfahrungen der Beteiligten machten deutlich, wie wichtig es ist, die Errungenschaften der Wiedervereinigung zu bewahren und daraus Kraft für die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zu schöpfen.
Der Dankesgottesdienst zum 35. Jubiläum der deutschen Wiedervereinigung in Lüdenscheid war ein weiteres Mal ein starkes Zeugnis für Gemeinschaft, gelebte Geschichte und Glauben. Die Veranstaltung vereinte Menschen verschiedener Konfessionen und Lebenswege und setzte ein kraftvolles Zeichen für Zusammenhalt und Hoffnung – ganz im Sinne der Botschaft dieses bedeutsamen Tages.