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Wort zum Sonntag: Den Mantel weit ausbreiten…

6.10.2018

 

 

Das Wort zum Sonntag: Diesmal mit Gedanken von Volker Bäumer, Pfarrer der Ev. Kirchengemeinde Brügge (Grafik: EKD)

 

KIRCHENKREIS + „Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. /Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,/ und auf den Fluren laß die Winde los. Mit diesen Worten beginnt ein Gedicht von Rainer Maria Rilke.
In der Tat: Der Sommer war sehr groß, und ich hoffe, Sie alle hatten eine gesegnete Sommer-, Ferien- und Urlaubszeit. Zeit genug, um Sonne, Licht und Wärme zu tanken; Raum genug, um Urlaubserinnerungen zu sammeln für die kälteren Tage im Jahr.

Ich grüße mit einer eigenen Urlaubserfahrung. Sie bleibt uns unvergesslich. Mit Freunden machten wir Urlaub auf der Insel Langeoog. Wir mieteten uns Fahrräder. Um von dem einen Ende der „langgestreckten“ Insel ans andere zu kommen, zu einem Meierhof. Das war ein großes Vergnügen. Das Radfahren ging wie von selbst. Wir konnten unsere Füße aus den Pedalen nehmen. Wir mussten selber gar nichts mehr tun, nur die Richtung halten. Es galt nur, „den Mantel weit auszubreiten…“,  und wir wurden wie auf Flügeln getragen. Den Wind im Rücken, schwebten wir dahin. Ein wunderbares Gefühl:  Einfach loslassen und sich tragen lassen! Dazu gehört nur: Den Mantel weit auszubreiten…. Nun ja, in unserem Falle waren es Windjacken, die wir weit ausbreiteten! An diese schöne Urlaubserfahrung wurde ich erinnert, als ich dieser Tage entdeckte, dass Martin Luther mit demselben Bild das Beten veranschaulicht. Es ist das Bild eines weit ausgebreiteten Mantels. „Darum auch Gott haben will, daß du solche Not und Anliegen klagest und anziehest (d.h. zur Sprache bringst), nicht, dass er´s nicht wisse, sondern dass du dein Herz entzündest, desto stärker und mehr zu begehren, und nur den Mantel weit ausbreitest und auftuest, viel zu empfangen.“ 

Beten heißt, den Mantel weit ausbreiten – fähig und bereit zu sein, viel zu empfangen. Denn bedenken Sie:„Das Gebet bewirkt nicht, dass Gott das Erbetene gibt, sondern im Gebet empfängt der Mensch das, was Gott ihm geben will. Umgekehrt gilt jedoch: Die Unterlassungdes Gebets verhindert, dass Gott dem Menschen das Verheißene gibt, weil der Mensch nicht empfängt, was Gott ihm geben will“.  In diesem Sinne wünsche ich uns allen, das Beten neu zu entdecken und, neben den Herbst- und Wintermänteln, auch den Gebetsmantel nicht zu vergessen. 

Herzlich Ihr Volker Bäumer, Pfarrer der Ev. Kirchengemeinde Brügge

 

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