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Herausragendes Amt in schweren Zeiten
28.5.2020

Von Wolfgang Teipel
KIRCHENKREIS + Dr. Christof Grote (Jahrgang 1964) und Martin Pogorzelski (Jahrgang 1961) sind Pfarrer mit viel Erfahrung. Beide bewerben sich um das höchste Amt im Ev. Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg. Sie möchten Nachfolger von Klaus Majoress im Amt des Superintendenten werden. Gewählt wird am 25. September bei der Kreissynode in der Lüdenscheider Schützenhalle Loh.
Pressegespräch in Zeiten der Corona-Pandemie: Dr. Christof Grote sitzt im Saal seines Gemeindehauses Attendorn hinter einer Plexiglasscheibe. Eine Pfingstrose hellt die ungewöhnliche Atmosphäre auf. Souverän und gelassen beantwortet der Geistliche, der seit 27 Jahren als Pfarrer in Attendorn tätig ist, die Fragen.
Christof Grote ist ein Mann der Tat und nah bei den Menschen. Das veranschaulicht eine Anekdote. Nach seinem Dienstantritt 1997 klopften immer wieder Menschen am Pfarrhaus an und baten um eine Spende oder ein Butterbrot. Grote und seine Frau Christiane schmierten Schnitte um Schnitte, bis es zu viel wurde. Das war der Anstoß zur Attendorner Tafel. Im Dezember 1998 verteilte sie erstmals Lebensmittel. Seit Februar 1999 ist die Tafel ein regelmäßiger Anlaufpunkt für Menschen, die wenig zum Leben haben.

Mit solcher Tatkraft möchte Christof Grote an herausragender Stelle die Zukunft des Kirchenkreises gestalten. „Die Kirche muss sich umstellen und neu aufstellen. Das war auch vor der Corona-Krise klar, aber jetzt ist es noch viel dringender geworden. Kirche kann und muss zum Beispiel digitaler werden“, sagt er. Während der Corona-Pandemie habe sich gezeigt, dass Online-Angebote wie Livestreams von Gottesdiensten eine Chance seien, auch in schwierigen Phasen Menschen zu erreichen. „Wenn man einen Blick auf die Homepage des Kirchenkreises wirft, erwartet einen dort ein vielfältiges Angebot digitaler Inhalte, die damit auch Aufgaben von Kirche in Teilen unterstützen. Es gibt tolle Reaktionen von vielen Menschen dazu. Das sollte uns in dieser Arbeit und für weiteren Überlegungen antreiben, auch wenn die kommenden Zeiten sicher nicht leicht werden.“
Die schweren Zeiten für die Kirche haben aber nicht erst in der Pandemie begonnen. „Seit 2000 ist die Zahl der Mitglieder in den 23 Gemeinden im Kirchenkreises von 112.000 auf 80.000 gesunken“, erklärt Dr. Grote. Das wirkt sich aus. Mit dieser Entwicklung gehen finanzielle Einbußen einher. Die Besetzung der Pfarrstellen wird schwieriger. Alle Angebote aufrecht zu erhalten, wird zur Herausforderung. Vieles werde sich verändern, beispielsweise auch durch engere Kooperationen der Kirchengemeinden.
Drei Dinge sind für den 55-Jährigen aber unverrückbar. „Ein guter Pfarrer muss ein Herz für die Menschen haben, einen Sinn für Zahlen besitzen und nah bei Gott sein.“ Das gelte auch für einen Superintendenten. Nur so könne er die Rolle als Fachvorgesetzter der Pfarrerinnen und Pfarrer und als Chef der 300 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kirchenkreises ausfüllen.
Und noch etwas soll Bestand haben. Der Kirchenkreis werde Träger des Diakonischen Werkes bleiben. „Bei uns ist die Diakonie Teil der verfassten Kirche und das ist gut so“, betont Christof Grote.
„Nah bei Gott und Jesus, nah bei den Menschen – auch in der Reihenfolge“, dafür steht Martin Pogorzelski. Als Mitglied und Sprecher der ökumenischen Hospizgruppe in Halver begleitet er Menschen in der letzten Phase ihres Lebens. „Schwerkranken und Sterbenden beizustehen, das ist ein wahrer Prüfstein unseres Glaubens. An einem schönen Tag zu reden ist gut und einfach, aber gerade im Leiden und Sterben kommt es darauf an. Dann ist es entscheidend, dass die Menschen merken und glauben, dass man das wirklich tief im Herzen hat, was man redet und betet“, sagt der aus Gladbeck stammende Geistliche.
Geprägt hat ihn unter anderem der ehemalige Herner Superintendent Fritz Schwarz. „Er überraschte angehende Theologen gern mit der Frage „Hast Du Jesus lieb?“, erzählt Martin Pogorzelski. Für ihn selbst spielt neben der Liebe zu Jesus die Selbstleitung des Pfarrers eine wichtige Rolle. So schöpft er Kraft aus dem morgendlichen Gebet, das bis zu einer Stunde dauern kann. Hier betet Pogorzelski intensiv zum Beispiel für den anstehenden Tag, mit allen Aufgaben und Herausforderungen, und ganz konkret für viele Menschen.

„Gott ehren, Jesus Christus vertrauen, in die Freiheit des Glaubens einladen und aus Liebe dienen“ – gern übernimmt der 59-Jährige das Leitmotiv des Ev. Kirchenkreises Lüdenscheid-Plettenberg, um zu veranschaulichen, wo seine persönlichen Schwerpunkte liegen.
Dass ihm die Kandidatur angetragen worden sei, ist Ehre und Bürde zugleich. Er sehe das Amt als große Herausforderung, gerade in der kommenden Zeit. Und dennoch traue es sich die Gesamtverantwortung durchaus zu.
Das Amt umfasse neben den Aufgaben der Aufsicht und der Visitation vorrangig die Leitung des Kirchenkreises. Der Superintendent ist Seelsorger und Dienstvorgesetzter der Mitarbeitenden des Kirchenkreises und der Pfarrerinnen und Pfarrer. Er führt Ordinationen und Einführungen der Geistlichen durch, leitet die Kreissynode und den Kreissynodalvorstand und ist geborenes Mitglied in der Landessynode der Evangelischen Kirche von Westfalen. Außerdem ist der Superintendent Repräsentant der evangelischen Kirche in der Öffentlichkeit.
All diesen Aufgaben werden von anhaltenden Mitgliedergliederverlusten in den Gemeinden, dem Schrumpfen des Kirchensteueraufkommens, notwendigen Kooperationen unter den Gemeinden und dem Bedeutungsverlust der großen Kirchen nicht einfacher, dem ist sich Martin Pogorzelski durchaus bewusst. „Wir werden Prioritäten setzen müssen. Aber wir sollten dann nicht klagen, sondern uns mit guten Ideen und viel Einsatz den Herausforderungen stellen“ sagt er. Wo und wie dann Veränderungen erfolgen könnten, sei aber Stand heute schwer einzuschätzen. Das Diakonische Werk solle aber auf jeden Fall weiter ein Teil des Kirchenkreises bleiben, das gehöre als wichtiger Baustein zum Profil des Kirchenkreises dazu.
Trotz aller anstehenden Herausforderungen sieht Martin Pogorzelski die Zukunft der Kirche positiv. Warum? „Wir sind als Kirche nicht wie eine politische Partei einer Idee verpflichtet, sondern einer Person. Wir sind Dienstleister Gottes. Unsere primäre Aufgabe ist es, den Kontakt zu ihm zu schaffen.“ Nur so könnten Menschen für den Glauben gewonnen werden. „Die ganze Kirche muss sich auf Mission umstellen“, zitiert der Pfarrer den ehemaligen EDK-Ratsvorsitzenden Manfred Kock. Mit diesen Satz hatte Kock 1999 die EKD-Synode in Leipzig eröffnet. „Das gilt heute genauso wie vor 20 Jahren. Die Zuwendung der Kirche gilt allen Menschen – ohne Einschränkungen oder Voraussetzungen. Und wo man echte Beziehungen schafft, da fühlen sich Menschen mit Kirche auch stark verbunden“, bekräftigt Martin Pogorzelski.