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„Jesus bindet sich nicht an Orte, sondern an Menschen“

25.11.2020

Jeder Gottesdienstbesucher – so auch Superindentent Dr. Christof Grote – war eingeladen, am Ausgang an der Osterkerze zum Abschied eine Kerzen zu entzünden (Foto: Görlitzer)
Jeder Gottesdienstbesucher – so auch Superindentent Dr. Christof Grote – war eingeladen, am Ausgang an der Osterkerze zum Abschied eine Kerzen zu entzünden (Foto: Görlitzer)

SCHALKSMÜHLE-DAHLERBRÜCK + Fast 60 Jahre ist es her, dass die Christuskirche im Schalksmühler Ortsteil Dahlerbrück im September 1962 eingeweiht wurde. In einem feierlichen Gottesdienst, der am Nachmittag des Volkstrauertags gefeiert wurde, hieß es aber nun für die Gemeinde Abschied nehmen. Mit diesem letzten Gottesdienst, bei dem die Mitglieder des Presbyteriums zum Abschluss alle sakralen Gegenstände feierlich einsammelten und aus der Kirche trugen, wurde die Kirche entwidmet. Unter Corona-Bedingungen konnte nur ein begrenzter Kreis angemeldeter Teilnehmer daran teilnehmen, deshalb wurde der Gottesdienst zusätzlich via Live-Stream ins Internet übertragen.

 

Mit einer Kirche sind viele ganz persönliche Erinnerungen verbunden – und diese standen an diesem Sonntag im Mittelpunkt. Mitglieder der Gemeinde erzählten, welche Bedeutung die Christuskirche in ihrem Leben hatte: Kirchmeister Martin Eilbrecht sprach seinen Dank an diejenigen aus, die das Gebäude einst mit viel Initiative und Engagement gebaut hatten. Er selbst habe sich immer mit der Einfachheit des Gebäudes und seiner Gestaltung identifizieren können. Seit seiner Jugend habe er viel Freizeit dort verbracht, zum Beispiel im Jugendkreis, und Freunde fürs Leben gefunden. „Wahnsinn, was an Jahrzehnten vergangen ist.“

Noch einmal versammelten sich alle Mitglieder des Presbyteriums, darunter Pfarrer Thorsten Beckmann, im Altarraum der Gemeinde (Foto: Görlitzer)
Noch einmal versammelten sich alle Mitglieder des Presbyteriums, darunter Pfarrer Thorsten Beckmann, im Altarraum der Gemeinde (Foto: Görlitzer)

Organistin Marlies Plaßmann erzählte, wie ihr Leben eine ganz neue Wendung nahm, nachdem sie mit ihrer Familie etwa zur gleichen Zeit der Einweihung der Kirche in ein Haus gegenüber gezogen sei. Als die damalige Organistin aufgehört habe, sei sie gefragt worden, ob sie die Orgel spielen könnte, obwohl sie noch gar nicht dafür ausgebildet war. So begann ein ganz neuer Weg weg von der kaufmännischen Ausbildung, die sie eigentlich absolviert hatte. Sie legte die C-Prüfung ab und wurde schließlich hauptamtliche Kirchenmusikerin und Musikschullehrerin: „Ich bin geblieben und geblieben und spiele immer noch.“ Sie sei nie kirchenfern gewesen, aber dennoch hätte sie nie gedacht, dass sie einmal jeden Sonntag in der Kirche sein würde.

 

Dirk Pollmann, inzwischen als Pfarrer des Kirchenkreis am Berufskolleg für Technik in Lüdenscheid tätig, war von 2003 bis 2018 der letzte Pfarrer, der die zweite Pfarrstelle der Kirchengemeinde innehatte und damit in Dahlerbrück tätig war. Er betonte, dass man Zeit gehabt habe, sich auf diesen Tag vorzubereiten und dennoch falle der Abschied schwer. Auch Pollmann sprach über seine Erinnerungen an die Christuskirche, vor allem an Gottesdienste, Hochzeiten, Trauerfeiern und Taufen. Immer seien zudem Menschen dagewesen, die sich gekümmert hätten, die Kirche und die angrenzenden Gemeinderäume regelrecht zu ihrem Wohnzimmer gemacht hätten. Er hoffe, dass etwas von dem freundlichen und aktiven Geist mit in die Erlöserkirche übergehen werde. Die Kirche im Schalksmühler Ortskern wird künftig die einzige Kirche der Gemeinde sein.

 

Zwischendurch konnten die Anwesenden bei Orgelklang von Marlies Plaßmann mit einer Bilderschau für einige Minuten in ihren eigenen Erinnerungen an die Christuskirche schwelgen, bevor dann Pfarrer Thorsten Beckmann die Inschriften auf den Kirchenglocken und die Botschaften, die damit verbunden sind, in den Mittelpunkt seiner Predigt stellte: „Lasst Euch versöhnen mit Gott“, „Herr, lehre uns beten“ und „Lasset uns aufsehen zu Jesus“. Menschen, die mit Gott versöhnt seien, könnten einen tiefen inneren Frieden haben, sagte Beckmann. Zudem sei das Gebet die Möglichkeit, Gott sein Päckchen mit allen Wünschen und Sorgen vor die Füße zu werfen – dafür sei die Christuskirche ein Ort gewesen.

Die Christuskirche in Schalksmühle-Dahlerbrück hat als Gotteshaus ausgedient (Foto: Görlitzer)
Die Christuskirche in Schalksmühle-Dahlerbrück hat als Gotteshaus ausgedient (Foto: Görlitzer)

Das abschließende Grußwort sprach der neue Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Lüdenscheid-Plettenberg, Dr. Christof Grote. Es sei nicht schön, dass er als eine seiner ersten Amtshandlungen in eine Gemeinde kommen müsse, um eine Kirche zu schließen. Er habe die Eindrücke des Nachmittags auf sich wirken lassen und sprach von den vielen Menschen, die Gottesdienste in der Christuskirche besucht haben, die dort getröstet wurden oder sich gefreut haben und blickte auf deren Zukunft. Sie hätten viel bewegt und wollten das auch weiterhin. Die Endwidmung sei nur ein weiterer Schritt auf diesem Weg, denn „Orte sind für eine Gemeinde nichts. Wichtig ist es, Glaubensorte zu schaffen“. Grote freue sich, dass die Gemeinde mit der Erlöserkirche weiterhin einen solchen Ort habe. „Jesus Christus bindet sich nicht an Orte, sondern an die Menschen.“

 

Mehrere Redner hatten betont, dass es sich mit der Aufgabe der Christuskirche um einen weiteren Schritt, eines Prozesses handelt, der schon vor vielen Jahren seinen Anfang genommen hat, zunächst mit der Pfarramtlichen Verbindung und dann mit der Fusion der beiden Kirchengemeinden Dahlerbrück und Schalksmühle. Für die daher noch recht junge evangelische Kirchengemeinde Schalksmühle-Dahlerbrück ist die Christuskirche nicht die einzige Predigtstätte, die aufgegeben wird: Bereits im Januar soll auch die Kreuzkirche im Mathagen in Schalksmühle entwidmet werden. Das Gemeindeleben soll sich dann vollständig auf die Erlöserkirche und das benachbarte Gemeindehaus im Schalksmühler Ortskern konzentrieren – diesen Beschluss hat das Presbyterium schon vor längerer Zeit gefasst. Schon zuletzt waren bereits die Gottesdienste der Gemeinde fast ausschließlich dort gefeiert worden. Nur noch einige Gruppen trafen beziehungsweise treffen sich noch in den Räumen der anderen beiden Gotteshäuser, die verkauft werden sollen.

In und um die Kreuzkirche will die kommunale Gemeinde Schalksmühle im Rahmen des Förderprogramms „Dritte Orte“ des Landes NRW ein kulturelles Zentrum mit Platz für VHS und Musikschule, für Veranstaltungen und als Ort der Begegnung entstehen lassen. Auch für die Christuskirche gibt es Verkaufsinteressenten. ©BG

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