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"Nicht so, meine lieben Freunde"

6.2.2022

Das Wort zum Sonntag heute mit Gedanken von Sebastian Schultz, Pfarrer der Ev. Christuskirche Lüdenscheid. (Grafik: EKKLP)
Das Wort zum Sonntag heute mit Gedanken von Sebastian Schultz, Pfarrer der Ev. Christuskirche Lüdenscheid. (Grafik: EKKLP)

Mitten in der Pestzeit schreibt Martin Luther an seinen Freund Johannes Heß in Breslau einen Brief, der aktueller kaum sein kann. Luther erklärt, wie man mit der tödlichen Seuche, die das Land fest im Würgegriff hat, umgehen sollte:

 

„Nicht so, meine lieben Freunde, das ist nicht fein getan. Sondern brauche die Arznei, nimm zu dir, was dir helfen kann, räuchere Haus, Hof und Gasse, meide auch Personen und Stätten, da dein Nächster dein nicht bedarf oder genesen ist, und stelle dich als einer, der ein allgemeines Feuer gern dämpfen helfen wollte. Denn was ist die Pestilenz anders als ein Feuer, das nicht Holz und Stroh, sondern Leib und Leben auffrisst?

 

Und denke so: Wohlan, der Feind hat uns durch Gottes Verhängnis Gift und tödliche Krankheit herein geschickt, so will ich zu Gott bitten, dass er uns gnädig sei und wehre. Danach will ich auch räuchern, die Luft reinigen helfen, Arznei geben und nehmen. Orte und Personen meiden, da man meiner nicht bedarf, auf dass ich mich selbst nicht anstecke und dazu durch mich vielleicht viele andere vergiften und anstecken und ihnen so durch meine Nachlässigkeit Ursache des Todes sein möchte.

 

Will mich indes mein Gott haben, so wird er mich wohl finden, so habe ich doch getan, was er mir zu tun gegeben hat, und bin weder an meinem eigenen noch an anderer Menschen Tode schuldig. Wo aber mein Nächster mein bedarf, will ich weder Orte noch Personen meiden, sondern frei zu ihm gehen und helfen, wie oben gesagt ist. Siehe, das ist ein rechter, gottesfürchtiger Glaube, der nicht dummkühn noch frech ist und auch Gott nicht versucht.“ (WA 23, 338–372, Ob man vor dem Sterben fliehen möge“ 1527).

 

Nicht alles mag gut sein, was Luther geschrieben hat, aber diese Gedanken sind auch ein halbes Jahrtausend noch nachdenkens- und beherzigenswert, wie ich finde.

Einen gesegneten Sonntag wünscht Ihnen

 

Pfarrer Sebastian Schultz, Ev. Christuskirche Lüdenscheid

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