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„Nicht immer getröstet, aber gestärkt“

18.8.2025

Ein Bild nun aus der Vergangenheit: Cornelia Müller an ihrer alten Wirkungsstelle im Klinikum Hellersen (Foto: Bettina Görlitzer)

Von Bettina Görlitzer

 

LÜDENSCHEID + „Ich wollte nie ins Sauerland“, erzählt Cornelia Müller – und doch lebt und arbeitete sie seit 32 Jahren hier. 1993 kam die gebürtige Ostwestfalin nach Lüdenscheid, weil es im damaligen Kirchenkreis Lüdenscheid, die einzige Stelle in der Westfälischen Landeskirche für eine Kinderkrankenhausseelsorgerin gab.

 

Vieles hat sich seitdem verändert, im beruflichen Umfeld und auch privat, aber der Arbeit mit Menschen in schwierigen Lebenssituationen ist sie unverändert treu geblieben – erst an der Kinderklinik an der Hohfuhrstraße, dann an den Märkischen Kliniken in Hellersen. Im April wurde Cornelia Müller im Gottesdienst in der evangelischen Kirche in Valbert von Dr. Christof Grote, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Lüdenscheid-Plettenberg, entpflichtet. Ab Mai begann dann der Ruhestand für die 66-Jährige, die, wie sie selbst sagt, das Sauerland noch getoppt hat, indem sie von Lüdenscheid ins noch ländlichere Meinerzhagen gezogen ist.

 

Die Krankenhausseelsorge speziell für Kinder war damals etwas ganz Neues, erzählt sie. Und das wollte sie unbedingt machen. Vor ihrem Theologiestudium hatte Cornelia Müller eine Ausbildung zur Erzieherin absolviert. Als sie an der Kinderklinik angefangen hat, waren Kinder oft lange im Krankenhaus. Heute sind die Verweildauern viel kürzer. Auch bei schweren Erkrankungen kommen sie immer wieder anstatt lange zu bleiben.

 

Mit der Integration der Kinderklinik in die Märkischen Kliniken wurde Cornelia Müller Teil des Seelsorgeteams für das gesamte Haus und dieses Team wird immer kleiner. Mit ihrem Eintritt in den Ruhestand bleibt ihr Kollege – Pfarrer Volker Horst - allein für die evangelische Krankenhausseelsorge tätig. Hinzu kommen die beiden katholischen Kolleginnen. Sonntagsgottesdienste werden auch nicht mehr im Krankenhaus gefeiert. Stattdessen bieten die Seelsorger einmal in der Woche einen ökumenischen Abendsegen im Raum der Stille an.


Dennoch: Tag für Tag hat Cornelia Müller Menschen getroffen, die sie in einer schwierigen Situation ein Stück begleiten kann – Patienten, Angehörige oder auch Personal. Das ist das, was sie so lange für genau diese Tätigkeit motiviert hat. Dazu gehört es zum Beispiel, Eltern, die ihr Kind verloren haben zu helfen, „wieder Boden unter den Füßen zu bekommen.“ Sie kann zuhören, ein Gebet oder Segen anbieten. „Ich bin nicht mit der Bibel unter dem Arm herumgelaufen, aber ich weiß, wer mit geht“, sagt sie über ihren Glauben. „Die Menschen gehen nicht immer getröstet, aber zumindest für den Augenblick gestärkt.“

 

Im Lauf der Jahrzehnte hat Cornelia Müller viele Menschen in Extremsituationen erlebt, Menschen, die Schicksalsschläge verkraften mussten. Aber die schlimmste Zeit sei während der Corona-Pandemie gewesen. Die Hinweise auf die Lebensgefahr, an der Covid-Station sei beängstigend für alle gewesen. Besonders erinnert sie sich an eine Frau, die mit ihrer Luftnot ganz allein panische Angst hatte. So gut es mit Schutzkleidung ging, hat Cornelia Müller ihr bis zuletzt beigestanden. Die Frau hat ihre Infektion nicht überlebt.

 

Aber auch Momente, die wie ein Wunder wirken, hat die Pfarrerin in ihrer Amtszeit erlebt. Besonders bewegt hat sie ein Neugeborenes, „auf das niemand einen Pfifferling gegeben hat.“ Der Großvater habe mit einer Krebserkrankung ebenfalls im Krankenhaus gelegen, und sei zu Mutter und Kind gekommen. Er habe einfach den Fuß des Babys gehalten und etwas gemurmelt – möglicherweise etwas wie „nimm mich.“ Nicht nur die Pfarrerin sei von der Stimmung im Raum ergriffen gewesen, erzählt sie „Wir waren da nicht allein.“ So habe es sich angefühlt. Das Kind hat es geschafft und kam gesund über den Berg. Der Großvater ist nicht lange danach gestorben.

 

Cornelia Müller hat ihren Beruf immer gerne und aus Überzeugung ausgeübt, aber nun freut sie sich auch darüber, dass nachts das Telefon nicht mehr klingelt.  Gerade dann „musste man von 0 auf 100 funktionieren“, sagt sie. Denn wenn das Krankenhaus um diese Zeit anruft, ist in der Regel etwas Schlimmes passiert.

 
Nun ist Ziet für anderes, das vorher oft zu kurz kam. Fotos zu sichten und Negative zu digitalisieren, zu Beispiel, oder lesen und sich um den Garten kümmern. Langweilig wird es Cornelia Müller nicht, ist sie überzeugt.

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