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Doris Korte im Interview

7.6.2021

Doris Korte wurde Ende April von ihren Aufgaben als Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Hülscheid-Heedfeld entpflichtet. (Foto: Jakob Salzmann)
Doris Korte wurde Ende April von ihren Aufgaben als Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Hülscheid-Heedfeld entpflichtet. (Foto: Jakob Salzmann)

Von Monika Salzmann

 

HEEDFELD + Nach 35 Jahren fruchtbaren Wirkens hat sich Doris Korte, Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Hülscheid-Heedfeld, in kleinem Rahmen – der Pandemie geschuldet – in den Ruhestand verabschiedet. Durch Corona war die Zahl der Teilnehmer an ihrem Abschiedsgottesdienst am 25. April 2021 stark eingeschränkt. Gern hätte sie sich anders von der Gemeinde verabschiedet – mit einem schönen, großen Gottesdienst und einem anschließenden Gemeindefest. Pandemiebedingt ist dies nicht möglich. Im Interview blickt sie auf bewegte Jahre zurück und spricht über das, was ihr am Herzen liegt.

 

Frau Korte, Sie wurden von Ihrem Dienst als Pfarrerin entpflichtet. Mit welchen Gefühlen verabschieden Sie sich in den Ruhestand?

 

„Mit Dankbarkeit. Ich habe viele Menschen kennengelernt und durfte viele Menschen begleiten. Und auch mit einem kleinen bisschen Traurigkeit, weil ich jetzt gehe. Ich freue mich aber auch darauf und bin gespannt, was jetzt kommt.“

 

Sie haben sich Ihren Abschied anders vorgestellt, als dies in Zeiten der Pandemie möglich ist. Wie haben Sie die Coronazeit und die Einschränkungen des Gemeindelebens erlebt?

 

„Ich finde die Einschränkungen der sozialen Kontakte schon schlimm: dass man sich nicht treffen und nicht umarmen kann. Gerade in meinem Beruf, bei Beerdigungen und überhaupt bei Kasualien. Aus der Ferne zu trösten, ist schwierig. Ich habe auch Angst um die Gruppen. Die Jugendlichen wachsen gerade weg. Wer weiß, wann die Senioren sich treffen können, wann der Chor wieder singen kann. Das macht mit allen Gruppen etwas. Ich glaube, dass man nach Corona wieder bei Null anfangen muss. Das wird manche Gruppe sprengen.“

 

Wenn Sie zurückdenken: Wie war Ihre Zeit in Hülscheid-Heedfeld? Wie sind Sie als erste Frau im Amt aufgenommen worden?

 

„Die Menschen sind mir mit großer Offenheit begegnet. Mein Vorgänger hatte ein wenig Sorgen, aber die Leute waren sehr aufgeschlossen, haben sich gefreut, mich kennenzulernen. Dazu eine kleine Geschichte: Ich habe einmal eine halbe Stunde bei der falschen Familie gesessen. Ich war eigentlich zu einem Traugespräch unterwegs. Weil kein Namensschild da war, konnte ich nicht klingeln, aber es sah so aus, als würde ich erwartet. Ich habe dann eine halbe Stunde mit Mutter und Tochter in der Küche gesessen und mich unterhalten. Irgendwann hab‘ ich nachgefragt, weil der Bräutigam nicht da war. Das Brautpaar saß im anderen Haus und wartete auf mich. Es war eine große Offenheit, das muss ich schon sagen.“

 

Wie hat sich das Gemeindeleben in den vergangenen 35 Jahren verändert?

 

„Die Gemeinde hat sich sehr verändert. Das war früher eine Landgemeinde, die stark durch die Landwirtschaft geprägt war. Es gab bestimmt 30 Bauernhöfe. Jetzt sind es vielleicht fünf. Heute ist Hülscheid-Heedfeld eine ganz andere Gemeinde, mehr Stadtrandgebiet zwischen Lüdenscheid und Hagen. Für manche Frauen war früher ein Ausflug mit der Frauenhilfe der Jahresurlaub. Heute fahren die auch in alle Welt. Kirche gehörte früher ganz anders dazu, war mittendrin. Jemand sagt heute: Der Sonntag ist mir heilig und meint, dass er ausschlafen will. Dann die Kirchenaustritte: Wir haben nicht so viele, aber jeder einzelne tut weh und man fragt sich, ob man etwas falsch gemacht hat. Dabei ist das manchmal nur eine Geldfrage oder jemand denkt sich, ich habe nichts damit zu tun, und tritt deswegen aus. Das war früher anders.“

 

Was lag Ihnen besonders am Herzen? Was konnten Sie verwirklichen und was ließ sich nicht realisieren?

 

„Mir lag immer daran, den Sonntag und den Alltag zusammenzubringen. Ich wollte Lust machen auf Bibellesen oder überhaupt auf die Bibel. Gelungen ist das vielleicht in den Bibelkreisen und Glaubenskursen, die durch Corona derzeit nicht stattfinden. Besonders haben mir die Konfis und Jugendlichen am Herzen gelegen. Wichtig war mir zu zeigen, dass Kirche eine Begleiterin von der Krabbelgruppe bis zum Sterbebett ist. Ich konnte noch mehr machen als in Zukunft mein Nachfolger mit einer halben Stelle. Wir haben vor 30 Jahren die Krabbelgruppen aufgebaut und hatten bis zu drei Krabbelgruppen. Ich konnte regelmäßig Kindergottesdienste und Kindergartengottesdienste feiern, überhaupt waren Gottesdienste aller Art mein Schwerpunkt: Konfi – Gottesdienste (wir haben extra Bänke dafür angeschafft!), im Altenheim, auf dem Bauernhof, im Schützenzelt, morgens, nachmittags oder abends.“

 

Welche Erlebnisse und Ereignisse sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben – im positiven oder negativen Sinne, Heiteres oder Trauriges?

 

„Vor 26 Jahren haben wir das 275. Jubiläum der Heedfelder Kirche gefeiert. Im letzten Jahr wollten wir eigentlich 300 Jahre Kirche Heedfeld feiern. Das fiel dann aus. Dann die 700 Jahr-Feier der Hülscheider Kirche. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der Zusammenhalt mit den Vereinen und das Buch „Himmel und Erde“. Der Kindergartenneubau fiel in meine Zeit. Auch haben wir ‚Die kleine Musik‘ aufgebaut und die Familienfreizeiten seit 1990 auf Borkum. Trauriges: Lange nachgegangen ist mir immer, wenn ich Kinder, junge Mütter und junge Menschen beerdigen musste. Der Biathlet Martin Fourcade hat bei seinem Abschied gesagt: Der Rucksack ist einfach zu schwer geworden. Das kann ich auch für mich sagen: Der Rucksack ist zu schwer geworden.“

 

Würden Sie den Pfarrerberuf noch einmal ergreifen?

 

„Pfarrerin ist für mich der schönste Beruf der Welt, aber manchmal auch der schwerste. Für mich gab’s und gibt es keinen anderen. Die Bedingungen sind heute allerdings anders. Die jungen Theologen und Theologinnen werden mit anderen Sachen kämpfen müssen als wir. Für mich ist das einfach mein Traumberuf.“

 

Kirche befindet sich im Wandel. Wie sehen Sie die Zukunft der Kirche und die Herausforderungen, die auf die Gemeinden zukommen?

 

„Darauf habe ich noch keine wirkliche Antwort. Viel Selbstverständlichkeit ist weggefallen. Viele Werte haben sich geändert. Man ist nicht mehr selbstverständlich katholisch oder evangelisch. Man ist auch nicht mehr selbstverständlich verheiratet und lässt sich trauen. Jetzt in der Coronazeit könnte uns manches Runterkommen guttun, wenn wir vernünftig damit umgehen würden. Ich wünsche mir, dass Kirche eine mutmachende Funktion in einer sich rasant verändernden Zeit übernimmt. Ich glaube auch, dass die Wächterfunktion von Kirche wichtig ist – ein Beispiel ist die Diskussion in diesen Tagen um die Gründung einer Super- League im Fußball! Es kann doch nicht sein, dass eine Bank Milliarden dafür ausgeben will, während in Afrika Menschen verdursten und verhungern – wie viele Brunnen könnten für das Geld gebaut werden!!! Was könnte für das Klima getan werden für die Milliarden, die ein kleiner Hubschrauber in 40 Sekunden auf dem Mars verschlingt – da ist die kritische Stimme der Kirche gefragt."

 

Wie stellen Sie sich Ihren Ruhestand vor? Werden Sie weiterhin ehrenamtlich in der Gemeinde mitarbeiten?

 

„Zunächst einmal bin ich raus, um meinem Nachfolger nicht im Wege zu stehen. Ich werde mich erst einmal sechs Monate ganz aus der Gemeinde zurückziehen. Michael Siol muss sich melden, wenn er ehrenamtliche Unterstützung braucht. Ich habe für mich ganz viele Ideen. Zunächst habe ich mich dazu entschieden, ein Bilderbuch zu schreiben, weil mein Mann die Bilder dazu gemalt hat. Die Idee ist, ein Bilderbuch für Kinder und Erwachsene zu schreiben. Auf der einen Seite Text für Kinder, auf der anderen Seite Meditationen für Erwachsene. Es geht um die Weihnachtsgeschichte. Die Bilder sind schon lange fertig.“

 

Welche guten Wünsche geben Sie Ihrem Nachfolger Michael Siol mit auf den Weg?

 

„Ich wünsche ihm vor allem Geduld. Es gibt einen alten Bauernspruch: Mit der Zeit wird aus Gras Milch. Dann wünsche ich ihm ganz viel Liebe: Liebe zu den Menschen, zu Gott, aber auch zu sich selbst und natürlich zu seiner Familie, dass er sie nicht vernachlässigt. Ich habe eher zufällig beim Lesen einen netten Text gefunden, den Paulus an die Gemeinde in Korinth für seinen Mitarbeiter Timotheus geschrieben hat. Den habe ich etwas umgeschrieben. Mein Wunsch an die Gemeinde ist: Wenn Michael zu euch kommt, so seht zu, dass er ohne Furcht bei euch sein kann, denn er treibt das Werk des Herrn wie ich. Dass ihn nur nicht jemand verachte!...und: Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen. Das ist aus 1. Korinther 16 und sagt alles.“

Doris Korte verabschiedete sich mit einer Mischung aus Dankbarbarkeit, Traurigkeit und Vorfreude auf das, was kommt, in den Ruhestand. Ihr erstes Projekt als Rentnerin: ein Bilderbuch mit den Bildern ihres Ehemannes. (Foto: Jakob Salzmann)
Doris Korte verabschiedete sich mit einer Mischung aus Dankbarbarkeit, Traurigkeit und Vorfreude auf das, was kommt, in den Ruhestand. Ihr erstes Projekt als Rentnerin: ein Bilderbuch mit den Bildern ihres Ehemannes. (Foto: Jakob Salzmann)

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