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Wichtigstes Stück der Rönsahler Geschichte

16.8.2021

Als Wahrzeichen des Dorfes gilt seit jeher die altehrwürdige Servatiuskirche. Möglicherweise an die 1000 Jahre alt sind ihre Grundmauern. Ihren heutigen Turm mit dem barocken Helm erhielt das Gotteshaus im Jahre 1897, also kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts. (Foto: Rainer Crummenerl)
Als Wahrzeichen des Dorfes gilt seit jeher die altehrwürdige Servatiuskirche. Möglicherweise an die 1000 Jahre alt sind ihre Grundmauern. Ihren heutigen Turm mit dem barocken Helm erhielt das Gotteshaus im Jahre 1897, also kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts. (Foto: Rainer Crummenerl)

von Rainer Crummenerl

 

RÖNSAHL + Schon von weitem sichtbar, gibt sie dem Dorf Rönsahl das Gepräge: Seit alters her ist die Servatiuskirche, die „gelbe Kirche“ mitten im Ort, der Mittelpunkt des Dorfes und gilt für viele in besonderem Maße als ein Hort der Einkehr und der inneren Ruhe, wenngleich das alte Gotteshaus derzeit infolge der Corona-Pandemie nur in stark eingeschränktem Maße zur Verfügung steht.

 

Um die Kirche herum gruppieren sich in scheinbar ausgerichteter Form die alten Bürger- und Handwerkerhäuser. Viele davon haben ihre eigene Geschichte, haben auf ihre Weise Dorfgeschichte mitgeschrieben, wüssten wohl, könnten sie denn erzählen, vieles zu berichten vom Handel und Wandel früherer Zeiten, vom Leben unserer „Altvorderen“, von deren Arbeitswelt, vom Umgang miteinander, eben von dem, was man dörfliche Gemeinschaft nennt.

 

Mittelpunkt einer Dorfgemeinschaft war von jeher die Kirche. So ist und war das auch in Rönsahl. Schenkt man alten Unterlagen Glauben und den Nachrichten, die sich im Volksmund gehalten haben, so ist die Servatiuskirche in ihren Grundmauern wohl um die 1000 Jahre alt, hat also manchen „Sturm der Zeit“ mit erlebt, Geschlechter kommen und gehen sehen.

 

In kriegerischen Zeiten, und davon gab es im Laufe der Jahrhunderte wesentlich mehr als Perioden, in denen die Menschen in unserer Gegend in Frieden leben konnten, diente die Kirche als so genannte Wehrkirche. Die Bürger zogen sich in Notzeiten in die Kirche zurück, und die wehrhaften Männer des Dorfes, so sagt es die Überlieferung, nutzten den Turm mit seinen dicken Mauern als Verteidigungsstand.

Im Jahre 1768, so sagt es die eiserne Inschrift an der dem Dorf zugewandten Seite des Kirchenschiffes, wurde das Kirchenschiff neu errichtet. Wie die meisten Häuser im Dorf, so war auch die Servatiuskirche größtenteils zwei Jahre zuvor dem verheerenden Dorfbrand zum Opfer gefallen. (Foto: Rainer Crummenerl)
Im Jahre 1768, so sagt es die eiserne Inschrift an der dem Dorf zugewandten Seite des Kirchenschiffes, wurde das Kirchenschiff neu errichtet. Wie die meisten Häuser im Dorf, so war auch die Servatiuskirche größtenteils zwei Jahre zuvor dem verheerenden Dorfbrand zum Opfer gefallen. (Foto: Rainer Crummenerl)

Zu diesem Zweck konnte ein Eisengitter, das wie eine Zugbrücke vor dem Turmeingang angebracht war, hochgezogen werden, und die Kirche war als mittelalterliche Wehrkirche sozusagen „uneinnehmbar“. Von diesem Eisengitter, dem „isernen Gitter“, rührt heute noch die Ortsbezeichnung „Vor dem Isern“ her. Die noch bis auf den Tag vorhandenen Einschnitte im dicken Mauerwerk des Turmes dienten als Schießscharten und somit ebenfalls der Verteidigung der Dorfbewohner, wenn die mit ihren Habseligkeiten in die Kirche gezogen waren.

 

Der Bericht vom Brand des Dorfes im Jahre 1766 besagt zwar, dass neben dreiundzwanzig Wohnhäusern auch Turm und Kirche dabei niedergebrannt seien. Die mächtigen Mauern am unteren Turm und das Gewölbe des Turmeingangs sind aber mit Sicherheit älteren Ursprungs. Nach Expertenmeinung weist die ganze Bauform auf eine Bauzeit um etwa 1250 zurück. Dieser Teil der Kirche ist also von einem früheren Gotteshaus erhalten geblieben, das irgendwann einmal in grauer Vorzeit, möglicherweise in Form einer altgermanischen Basilika, an gleicher Stelle gestanden haben wird.

 

Nach dem Dorfbrand, dem auf jeden Fall das Kirchenschiff zum Opfer gefallen war, setzten die Dorfbewohner alles daran, ihre Kirche so schnell wie möglich wieder aufzubauen. Leider besitzt das Pfarrarchiv weder Nachrichten über den früheren noch über die genauere Baugeschichte des jetzigen Baues. So wissen wir auch nicht, welcher Meister den Kanzelaltar hergestellt haben mag. Rönsahls früherer Pfarrer Herbert Griesing vermutet in seiner Betrachtung zur Kirchengeschichte anlässlich des 400-jährigen Reformationsjubiläums, das die Gemeinde im Jahre 1960 begehen konnte, dass man sich bei der Gestaltung des Kircheninneren an Vorgaben aus sakralen Gebäuden in der rheinischen Nachbarschaft, wie etwa in Lieberhausen oder Müllenbach, gehalten haben könnte.

 

Da eine deutlich erkennbare Ähnlichkeit mit dem Altar der Kirche in Rosbach an der Sieg besteht, liegt zudem die Vermutung nicht fern, dass man den dortigen Dorfschreiner Jasser für die Arbeit in Rönsahl herangeholt haben könnte. Das Seitenportal der Kirche aus Sandstein stammt, wie die dort angebrachte Inschrift vermerkt, aus dem Jahre 1768. Die Renovierung der Kirche im Jahre 1950 unter Leitung von Prof. Thol brachte eine vollständige Neuausmalung des Kircheninneren und im Zusammenhang damit eine vollkommen andere Farbgebung des bis dahin ganz in Weiß gehaltenen „Outfits“ mit sich.

Als Wahrzeichen des Dorfes gilt seit jeher die altehrwürdige Servatiuskirche. Möglicherweise an die 1000 Jahre alt sind ihre Grundmauern. Ihren heutigen Turm mit dem barocken Helm erhielt das Gotteshaus im Jahre 1897, also kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts. (Foto: Rainer Crummenerl)
Als Wahrzeichen des Dorfes gilt seit jeher die altehrwürdige Servatiuskirche. Möglicherweise an die 1000 Jahre alt sind ihre Grundmauern. Ihren heutigen Turm mit dem barocken Helm erhielt das Gotteshaus im Jahre 1897, also kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts. (Foto: Rainer Crummenerl)

Seitdem ist das Kircheninnere mehrfach positiv verändert worden. Alte, zum Teil bis dahin von Farbe übertünchte Kirchenschätze, wie beispielsweise das zumindest in Fragmenten erhaltene Manifest Martin Luthers „ Ein feste Burg ist unser Gott“ an einer Kirchenwand, erst recht die beiden vor einigen Jahren wieder sichtbar gemachten beiden großen Kirchenfenster, die mit ihren bunten Ornamentscheiben die Porträts Martin Luthers sowie Philipp Melanchthons zeigen, oder auch das wieder entdeckte und danach restaurierte alte Altarbild mit dem Konterfei des Servatius gelten als Beleg dafür, dass die Servatiuskirche als Ganzes zu den besonderen Kleinodien im gesamten Kirchenkreis zählt. Und diese Einschätzung wird nicht zuletzt durch die vor einigen Jahren erfolgte Ausgestaltung der beiden Turmstuben und die im Jahr 2012 vollendete Restaurierung der historischen Kleine- Orgel noch zusätzlich unterstrichen.

 

Etliche Jahre zuvor schon, nämlich im Zuge der angesprochenen Renovierungsarbeiten und eines Entwurfes von Prof. Thol, konnte der alte Turmraum als Gedächtnisstätte der Gefallenen und Kriegsopfer hergerichtet werden und wird zudem bei verschiedenen Anlässen  auch zur Präsentation genutzt. Der Entwurf zu dem bunten Glasfenster im Turmraum stammt von der Altenaer Künstlerin Hildegard Quincke und zeigt den Kampf St. Michaels mit dem Drachen.

 

So weit ein wenig zu Lesens- und Wissenswertem zu diesem Teil der Kirchen- und damit auch der Ortsgeschichte. Würden die alten Mauern indes sprechen können, so hätten sie uns  von einer Begebenheit zu berichten gewusst, die im Jahr 1897, also kurz vor Beginn des neuen Jahrhunderts, wohl das Hauptereignis im Dorfe Rönsahl gewesen sein mag: Der Turm der Kirche erhielt einen neuen Helm, also einen neuen Aufbau der Spitze. Man mag sich unschwer vorstellen, mit wie viel Mühe der Austausch des alten Turmhelms in seiner abgeflachten und wesentlich niedrigeren Form einer Pyramide gegen den neuen Kirchturm verbunden gewesen sein mag: Ein neues Blatt im dicken Buch der Dorf- und Kirchengeschichte war geschrieben…

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