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Ein kräftiges "Effata" würde helfen!
5.9.2021

Am Donnerstag wurde der Wahl-o-mat freigeschaltet. Ein Spiel? Eine Wahlempfehlung? Oder einfach eine Anregung, auch einen Blick darauf zu werfen, was kleine Parteien für Meinungen vertreten, die Parteien, die am Wahlabend auf dem Tortendiagramm als „Sonstige“ erscheinen?
Meiner geschätzten Tageszeitung entnahm ich, dass die Wahlprogramme in diesem Jahr so unverständlich seien, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. „Schwurbelig“ nannten wir früher diese Sprache: Viele Worte, wenig Substanz. So reden heute nicht nur Politiker, sondern viele Menschen, die wichtig und mächtig sind – oder sich wichtig und mächtig fühlen. Bei Firmen- und Finanzbossen erlebe ich das, bei Sportlern und natürlich auch bei „Kirchens“ (manche Morgenandachten und geistliche Worte sind mir unerträglich).
Heute in den Messen in den katholischen Kirchen hören wir, wie Jesus einen Taubstummen heilt, ein Text aus dem Markusevangelium. „Effata“, „öffne dich“, sagt Jesus, und die Ohren des Mannes werden geöffnet und die Zunge gelöst. Im Markusevangelium wird ein Behinderter von seiner Behinderung befreit.
In unserer Zeit ist die Behinderung oft eine andere: Wir hören so leicht, was wir hören wollen, oder wissen schon, was der andere sagt, bevor er richtig angefangen hat, zu erklären. Manchmal werden die Ohren auch auf „Durchzug“ gestellt. Ein kräftiges „Effata“ würde vielleicht helfen, aufmerksam zu hören, Zwischentöne wahrzunehmen, gemeinsam zu suchen, was dem anderen wichtig ist…
Die „Hörbehinderung“ kann eine „Sprachbehinderung“ nach sich ziehen: Dinge werden „zugespitzt“ oder „auf den Punkt gebracht“. Auf „Ja/Nein“-Fragen gibt es nur „Schwarz/Weiß“-Antworten, oder man will sich nicht festlegen, redet im Ungefähren, schwurbelt… Auch da hilft ein „Effata“.
Das macht für mich in diesem Jahr die Botschaft des Markusevangeliums
aus: Jesus befreit und öffnet uns Ohren und Mund, er befreit buchstäblich zur „Mündigkeit“. Übrigens, wer mündig ist, muss Verantwortung übernehmen. Freiheit kann unbequem sein.

Einen gesegneten Sonntag wünscht Ihnen
Mechthild Börger,
Gemeindereferentin in St. Joseph und Medardus Lüdenscheid