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Gemeinsam für den Frieden
16.10.2021

LÜDENSCHEID + Interkulturelles Friedensgebet in Lüdenscheid. Eine Tradition, die Jahr für Jahr in der Stadt gepflegt wird und zu der das Interreligiöse Forum, vertreten durch seine Sprecher*innen Pfarrer Achim Riggert, Christa Bätz und Emel Gülec, auch dieses Jahr 2021 aufrief. Das Judentum wurde von Hella Goldbach repräsentiert, der Leiterin der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Lüdenscheid e.V.
Ebenfalls Tradition: Das Wetter ist lässt zu Wünschen übrig und es regnet in Strömen. Umso bewundernswerter, dass sich auch am 6. Oktober 2021 die Vertreter der drei großen Weltreligionen gemeinsam auf den Weg durch Lüdenscheid machten, um ein Zeichen für friedlichen Dialog zu setzen.

Das diesjährige Motto lautete „Wasser ist Leben“. Unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Sebastian Wagemeyer und Assessor Martin Pogorzelski (Evangelischer Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg) trafen sich die Teilnehmer der Veranstaltung zunächst am Brunnen auf dem Rathausplatz Lüdenscheid. Ziel war es, gemeinsam die Wasserstellen in der Lüdenscheider Innenstadt abzugehen und jeweils dort Station zu machen, um eine Andacht zum Thema zu halten.
Nach einem bewegenden Grußwort des Lüdenscheider Bürgermeisters und der persönlichen Vorstellung der jeweiligen Vertreter der anwesenden Religionsgemeinschaften, erzählte Hella Goldbach von der Mikwe, dem rituellen Bad der Juden. Dreimal muss dort z.B. eine Braut vor der Hochzeit untertauchen, um als vollkommen rein zu gelten. Nach dieser Einführung und einem Gebet marschierte man - mit Schirmen bewaffnet - Richtung Stern-Brunnen am Sternplatz.
Dort durfte man sich über die Andachten von Imam Sami Esentürk der DITIB-Gemeinde sowie von Cengiz Varlin freuen, dem Verantwortlichen für Öffentlichkeitsarbeit der Ahmadiyya-Muslim-Gemeinde Lüdenscheid. Cengiz Varlin betonte besonders die Heiligkeit von Wasser als Element der Schöpfung im Koran. Es sei daher sehr wichtig, damit entsprechend verantwortungsvoll umzugehen und Wasser nicht als Selbstverständlichkeit zu sehen, sondern es als Geschenk Gottes mit Dank anzunehmen. Sein Abschluss-Gebet über die Liebe des Schöpfers zu seinen Menschenkindern rief zur aktiven Nächstenliebe auf und berührte die Herzen vieler Anwesenden tief.

Weiter ging es dann zur nächsten Station, die sich in der Altstadt befand. Das Ziel war ein alter Brunnen, der auch heute noch zugänglich ist. Stefan Schick und Frank Droste, beide Vertreter der Evangelischen Kirche, nahmen die Zuhörer zunächst auf einem kleinen Exkurs ins Mittelalter und die Antike mit. Danach informierten sie darüber, dass es Bemühungen durch internationale Großkonzerne gäbe, weltweit die Wasserrechte zu privatisieren. Beide sprachen sich vehement dagegen aus und forderten die EU auf, aktiv gegen solche Pläne vorzugehen. Ihrer Meinung nach handele es sich bei diesem Versuch um schwere Menschenrechtsverletzung, die nicht hinnehmbar sei. Millionen Menschen lebten bereits ohne gesicherte Wasserversorgung und würden durch eine Privatisierung jedes Recht an freiem Zugang zur Wasserstelle verlieren.
Auf den Klimawandel mit seiner Bedeutung für die Wasservorräte machte Christa Bätz am Brunnen des Graf-Engelbert-Platzes aufmerksam. Durch Unwetter, Dürren und Versalzung der Süßwasserquellen würden Menschen zu „Wasser-Flüchtlingen“. Sie rief zu Nachhaltigkeit auf und dazu, den Planeten ohne wenn und aber zu schützen, um gerade die Wasserversorgung auch für die kommenden Generationen zu erhalten.
Von dort ging es zur vorletzten Station, dem Brunnen vor der Evangelischen Erlöserkirche. Hier richtete Mechthild Börger von der Katholischen Kirche Lüdenscheid den Blick noch einmal gezielt auf die Wassertaufe und ihre Bedeutung. Sie rief dazu auf, Gott wieder bewusst die Ehre zu geben, die ihm als Schöpfer zusteht. Sie warnte vor Egoismus und einer Gesellschaft ohne Gott und forderte die Menschen auf, sich Gott gerade und offen zuzuwenden.
An der letzten Station vor dem „Engel der Kulturen“, einer Bodenintarsie, die die drei Weltreligionen als Engel darstellt, beendeten Assessor Martin Pogorzelski und Pfarrer i.R. Martin Ahlhaus den Marsch durch Lüdenscheid mit Gebet und Segen. Gemeinsam mit der Gruppe wurde symbolisch noch ein Schluck Wasser getrunken, in Erinnerung an das Gehörte und Ermahnung für die Zukunft: Trinkbares Wasser ist nicht selbstverständlich, sondern ein großes Geschenk, mit dem sorgsam umzugehen ist.
Erwähnenswert: Die musikalische Unterhaltung wurde von den Schwestern Amelia und Alexandra Hamann professionell und ansprechend gestaltet und sorgte für ein stimmungsvolles Ambiente, in dem man sich rundherum wohl fühlen durfte.

„Wasser ist Leben“ – ein gerechtes und gutes Motto, zu dem es viel zu sagen gab und gäbe. Die drei anwesenden Religionsgemeinschaften waren sich an diesem Abend völlig einig: Wasser ist ein Geschenk Gottes! Niemand habe das Recht, damit fahrlässig umzugehen. Es müsse für alle Menschen nutzbar sein. Dazu sollte die Menschheit als ganzes neu lernen, dieses Geschenk mit großem Dank anzunehmen, es zu achten und sorgsam damit umzugehen. Das diesjährige Friedensgebet war daher – trotz viel kaltem Wasser von oben und generell niedrigen Temperaturen – eine ermutigende und zugleich visionäre Veranstaltung, bei der nicht nur Klartext gesprochen, sondern auch ein hoffnungsvoller Blick in eine Zukunft geworfen wurde, in der Gott wieder spürbar wahrgenommen wird: Als Schöpfer und Bewahrer, Erneuerer und Beschützer seiner Menschenkinder. Auf IHN darf und sollte man vertrauen. Auch darin waren sich alle Anwesenden ausnahmslos einig.
Es gibt nicht viele Gelegenheiten, bei denen sich Juden, Christen und Muslime in Respekt und Würde so nah sein können und Freundschaften schließen, die durchaus ein Leben lang halten. Das interreligiöse Friedensgebet ist daher so viel mehr, als im Regen durch eine Stadt zu laufen und gemeinsam zu beten. Es dient als gelebtes Beispiel dafür, dass Frieden unter den Weltreligionen erstrebenswert und möglich ist. Dass man gemeinsam viel bewegen kann. Gegen alle Widerstände. Egal wo... ©ik