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Profis mit Einfühlungsvermögen

29.12.2021

Das Team der Beratungsstelle: Rena Steinhauer, Rendel Simon, Andrea Bachmann, Dieter Löbel und Gesa Kraemer-Reiners. Foto: dw
Das Team der Beratungsstelle: Rena Steinhauer, Rendel Simon, Andrea Bachmann, Dieter Löbel und Gesa Kraemer-Reiners. Foto: dw

Lüdenscheid. „Beratung ist immer gut investierte Zeit“, sagt Dieter Löbel. Er ist Diplom-Sozialarbeiter und Therapeut bei der Psychologischen Beratungsstelle der Diakonie in Lüdenscheid. Das können inzwischen tausende Klientinnen und Klienten quer durch alle Generationen, Nationalitäten, Konfessionen und Weltanschauungen bestätigen. Seit 50 Jahren arbeiten die Profis mit Einfühlungsvermögen in der Beratungsstelle an der Lessingstraße. Eine Erfolgsgeschichte. Sie haben unzähligen Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und ganzen Familien geholfen, wieder ins Gleichgewicht zu kommen, persönliche Krisen zu bewältigen und ein gutes Leben zu führen.

 

Spielen kann helfen

 

Das ist nicht immer einfach. Spielen kann dabei helfen. Rendel Simon, Leiterin der Beratungsstelle, berichtet von einem Fall aus der Praxis. „Spielen kann therapeutischen Charakter haben. So inszenierte beispielsweise ein Siebenjähriger aus einer Pflegefamilie sein Trauma, von seiner Mutter an Männer verkauft worden zu sein: Ein Jahr lang wollte er „Erdbeben“ spielen, bei dem er im Therapieraum unter Schaumstoffwürfeln begraben und danach immer wieder von Polizei, Ärzten und Feuerwehr gerettet wurde. Dabei war eine wichtige Botschaft an das Kind: „Du bist es wert, gerettet zu werden“ und „Jetzt ist alles wieder gut, es ist vorbei.“ Nach einem Jahr meinte er: „Jetzt können wir etwas anderes spielen.“ In solch einem Fall atmet das multiprofessionelle Team auf. Fachwissen, Erfahrung und Einfühlungsvermögen haben sich wieder einmal ausgezahlt.

In diesem Gebäude finden Kinder, Jugendliche und Familien seit 1971 Hilfe. Foto: dw
In diesem Gebäude finden Kinder, Jugendliche und Familien seit 1971 Hilfe. Foto: dw

Rollenspiele, mal ganz anders denken und auch Humor gehören zum Alltag an der Lessingstraße. Auch in schwierigen Fällen. Manchmal sage ich: „Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos“, berichtet Löbel. „Und dann drehe ich das geflügelte Wort um: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. So bekommt man oft eine ganz andere Sicht auf die Dinge.“

Die Geschichte der Erziehungsberatungsstellen reicht weit zurück. Die ersten wurden in den 1920er Jahren eingerichtet. Das Nazi-Regime schaffte sie wieder ab. Anfang der 1960er Jahre wurden sie wieder ins Leben gerufen. Das Gros wurde in der Zeit zwischen 1970 und 1990 gegründet.

 

Die erste im Märkischen Kreis

 

Gegründet im Jahr 1971, war die Psychologische Beratungsstelle des Diakonischen Werkes die erste Erziehungs- und Familienberatungsstelle im Märkischen Kreis.
Der Evangelische Kirchenkreis, die Stadt Lüdenscheid und der Märkische Kreis hatten früh die Notwendigkeit und den Bedarf an Hilfe für Familien erkannt.

Als evangelische Beratungsstelle ist sie den christlichen Werten verpflichtet, steht aber uneingeschränkt allen offen, unabhängig von Nationalität oder Religion/Weltanschauung; in dieser Weise wird sie auch von einem breiten Spektrum an Ratsuchenden angenommen.

Die Psychologische Beratungsstelle stellt einen Teil der örtlichen psychosozialen Grundversorgung dar und ist Teil der Jugendhilfe. Der Auftrag für Erziehungsberatung ergibt sich aus dem 8. Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VIII). „Damit ist sie systemrelevant“, sagt Rendel Simon, auch wenn sie das Wort eigentlich nicht so mag.

 

Rendel Simon ist seit 1999 dabei

 

Die beiden Psychologen, Manfred Lohl und Georg Kugoth haben fast 35 Jahre (ab 1974) in der Beratungsstelle gearbeitet und sie zu dem gemacht, was sie heute ist. Dazu arbeiteten verschiedene Sozialpädagoginnen und Sozialarbeiterinnen als Beraterinnen in dieser Einrichtung. Seit 1999 ist Rendel Simon dabei, 2009, als Manfred Lohl und Georg Kugoth in Rente gingen, wurden die Stellen durch Dieter Löbel und Gesa Kraemer-Reiners besetzt. Das Team wird ergänzt durch Teamassistentinnen. Viele Jahre war dies Ingrid Krins, aktuell zählen Rena Steinhauer und Andrea Bachmann dazu.

„Die Einrichtung mit ihrem guten Ruf ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt“, sagt Superintendent Dr. Christof Grote. Foto: dw
„Die Einrichtung mit ihrem guten Ruf ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt“, sagt Superintendent Dr. Christof Grote. Foto: dw

Ende der 1990er Jahre brauchte die Beratungsstelle selbst dringend Unterstützung. Aus finanziellen Gründen stand sie vor dem Aus: Aufgrund des hohen Trägeranteils des Kirchenkreises und rückläufiger Kirchensteuereinnahmen sollte die Beratungsstelle 1999 geschlossen werden. Es gab großen Protest in der Bevölkerung und es bildete sich der Förderverein „Freunde und Förderer der Psychologischen Beratungsstelle Lessingstraße“, der jährlich 50.000 Euro für die Arbeit zusammenbringt. Die Hälfte hat alle Jahre die „Karl-Reeber-Stiftung Liechtenstein“ beigesteuert. „Wir sind dankbar für die unglaubliche Unterstützung, die wir durch die Stiftung, Firmen, Sparkasse, Volksbank und sehr viele Einzelpersonen erhalten haben. Und wir spüren den Rückhalt des Kirchenkreises, allen voran vom Superintendenten und der Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes“, sagt dazu Fördervereinsvorsitzender Dr. Axel Eberl.

 

Nah am Menschen arbeiten

 

So konnte das Team weiter nah am Menschen arbeiten. Als Erziehungs- und Familienberatungsstelle werden zu etwa 90 Prozent Kinder, Jugendliche, ganze Familien oder Elternpaare beraten.  Zehn Prozent entfallen auf einzelne Erwachsene, die sich in einer Krise befinden.
Statistisch gesehen gerät jeder Mensch mindestens einmal im Leben in eine Krise: Trauer, eine Trennung durchmachen, Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz, sich einsam fühlen, depressive Verstimmungen, schwierige Erlebnisse/Traumata, Familienprobleme u.a.m. Dann tut es gut, ein Gegenüber zu haben, um schwierige Entscheidungen oder Krisensituationen zu meistern. Manchmal sind dies Freunde oder Familie, manchmal braucht es die professionelle Begleitung in einer Beratungsstelle oder in anderen Einrichtungen. „Hilfe verfolgt dabei das Ziel, zur Lösung persönlicher, innerfamiliärer und solcher des sozialen Umfelds beizutragen.

 

Den eigenen Weg finden

Dabei sollen Klientinnen und Klienten unterstützt werden, einen eigenen, für sie passenden Weg zu finden.“ Die Beraterinnen und Berater arbeiten auftragsorientiert: Sie orientieren sich an den Interessen und Zielen der Ratsuchenden, unterstützen deren Eigeninitiative und Selbsthilfekräfte. Dabei werden die Ressourcen und Stärken der Besucherinnen und Besucher als wesentliche Helfer im Veränderungsprozess in den Fokus genommen.
„Bereits beim Erstgespräch fragen wir neben der Beschreibung des Problems nach den Zielen der Beratung. Das kann ein erster Schritt sein, einen Perspektivwechsel vorzunehmen: nicht nur das Problem im Fokus zu haben, sondern von der Lösung her zu denken. Wenn aber die Situation zu vertrackt ist, bleibt manchmal nur noch zu fragen, wie Zukunft auch unter diesen belastenden Umständen gelingen kann.“

„Die Beratungsstelle ist ein urdiakonisches Angebot“, sagt Diakonie-Geschäftsführerin Iris Jänicke. Foto: dw
„Die Beratungsstelle ist ein urdiakonisches Angebot“, sagt Diakonie-Geschäftsführerin Iris Jänicke. Foto: dw

„Eine individuell angepasste Moderation, gute Fragen stellen, Methodenvielfalt, Empathie und Wertschätzung sowie die Einbeziehung der Stärken der Ratsuchenden sind wesentliche Bausteine für gelingende Veränderungsprozesse“, erläutern Rendel Simon und Dieter Löbel.

 

Dr. Christof Grote, Superintendent des Kirchenkreises Lüdenscheid-Plettenberg, betont: „Seit 50 Jahren gibt es die Psychologische Beratungsstelle des Diakonischen Werkes in der Lessingstraße in Lüdenscheid. Darüber freue ich mich sehr! Wie viele Menschen in all den Jahren hier begleitet worden sind, lässt sich wohl kaum zählen; die Einrichtung mit ihrem guten Ruf ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. So wird konkret erfahrbar, dass Glaube mehr als nur eine Idee ist und wirklich Hilfe und Unterstützung für das Leben bedeutet. 

Ich bedanke mich bei allen Kostenträgern, die diese Arbeit möglich machen, bei all denen, die unserer Einrichtung ihr Vertrauen schenken, und vor allem bei unseren Mitarbeitenden, die mit ihrem Einsatz für Menschen in Notlagen die Kirche und ihre Diakonie repräsentieren. Herzlichen Dank und Gottes Segen.“ 

 

"Eun urdiakonisches Angebot"

 

Für Iris Jänicke, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes, ist die Psychologische Beratungsstelle in Lüdenscheid „ein urdiakonisches Angebot für Familien.“ Die Beratungsfachkräfte Rendel Simon, Dieter Löbel und Gesa Kraemer-Reiners seien mit hoher fachlicher Kompetenz und gleichzeitig mit dem Herzen dabei. Dafür bin ich voller Dankbarkeit. Ich bin aber auch dankbar dafür, dass wir gleich fünf solide Finanzierungssäulen haben. Der Landschaftsverband, die Kommune, der Kirchenkreis, der Förderverein und die Karl-Reeber-Stiftung sorgen jedes Jahr dafür, dass es weitergeht. Das ist eine starke und stabile Verbindung, die den ratsuchenden Familien zugutekommt. Dafür kann man nur danke sagen.“ Zum 50jährigen Bestehen wünscht sie den Mitarbeitenden der Beratungsstelle „weiterhin Freude an der Arbeit, Nähe zu den Menschen und Gottes Segen.“

 

Aufgabenbereiche:

·       Erziehungsberatung

·       Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, die ein Problem mich sich herumtragen

·       Förderung, Verbesserung, Stabilisierung der Entwicklung und sozialen Integration von jungen Menschen mit besonderen Schwierigkeiten oder belastenden Erlebnissen (Traumata/Gewalterfahrungen)

·       Unterstützung bei der Bewältigung von Familien-/Paarkonflikten

·       Präventive Förderung der Erziehung in der Familie

·       Leistungs- und psychosoziale Diagnostik

·       Informationsveranstaltungen/Elternabende (z.B. in Familienzentren)

·       bei Bedarf anonymisierte Fallberatung von Fachkräften

Vernetzung mit anderen Einrichtungen der psychosozialen Versorgung

 

Förderverein:

1.   Vorsitzender: Dr. Axel Eberl, 2. Vorsitzender: Dr. Ulrich Gallenkamp
Bankverbindungen:
Sparkasse Lüdenscheid: IBAN DE55 4585 0005 0000 1671 06; BIC: WELADED1LSD
Volksbank im Märkischen Kreis: IBAN DE61 4476 1534 0116 8294 00, BIC: GENODEM1NRD

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