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Drei Gemeinden leisten Pionierarbeit

11.3.2022

Thorsten Brinkmeier (l.) und Michael Siol sind die beiden Pfarrer, die offiziell ab dem 1. April für die drei Gemeinden zwischen Rahmedetal und Hülscheid zuständig sind. (Foto: Bettina Görlitzer)
Thorsten Brinkmeier (l.) und Michael Siol sind die beiden Pfarrer, die offiziell ab dem 1. April für die drei Gemeinden zwischen Rahmedetal und Hülscheid zuständig sind. (Foto: Bettina Görlitzer)

KIRCHENKREIS + Drei Gemeinden aus dem evangelischen Kirchenkreis Lüdenscheid-Plettenberg gehen neue Wege, die bislang einmalig sind in der evangelischen Landeskirche von Westfalen. In einer pfarramtlichen Verbindung mit zwei Pfarrstellen für drei Gemeinden haben sich die Gemeinden Hülscheid-Heedfeld, Oberrahmede und Rahmede zusammengeschlossen. Dabei behalten alle drei ihre Eigenständigkeit mit ihrem jeweils eigenem speziellen Profil und einem eigenen Presbyterium. Neu ist, dass es im Rahmen dieser Kooperation zwei Pfarrstellen für drei Gemeinden gibt.

 

Eine dieser beiden Stellen behält Thorsten Brinkmeier, der bereits in einer pfarramtlichen Verbindung in der Rahmede und dem zweiten Bezirk der Gemeinde Oberrahmede tätig war. Mit dem Beschluss der neuen Zusammenarbeit hat die Landeskirche zu Jahresbeginn die Möglichkeit geschaffen, die zweite Pfarrstelle zu besetzen. Einziger Kandidat war Michael Siol, der bereits seit Mai im Rahmen seines Probedienstes die Vakanzvertretung im Bezirk I in Oberrahmede und Hülscheid-Heedfeld übernommen hat. Zusammen verfügen die drei unmittelbar benachbarten Gemeinden über vier Kirchen und ein Gemeindezentrum, in dem auch Gottesdienste gefeiert werden, sowie drei Gemeindehäuser mit Büros und Gruppenräumen.

 

Auch wenn alle drei Gemeinden getrennt über die Besetzung der Pfarrstelle zum 1. April entscheiden mussten, konnten die dafür erforderlichen Regularien zusammengefasst werden. Ende Februar hielt Siol seine Probepredigt, zu der alle Gemeinden nach Heedfeld eingeladen waren. In Oberrahmede absolvierte Siol die Probekatechese. Zu den Wahlen, die Superintendent Dr. Christof Grote leitete, kamen schließlich die Presbyterien aller drei Gemeinden im Gemeindehaus in Heedfeld zusammen. Sie sprachen sich einstimmig für Michael Siol aus. Seine offizielle Einführung in die Pfarrstelle ist für den 20. März ab 16 Uhr, ebenfalls in Heedfeld geplant. Das besondere dabei: Der neue Pfarrer stammt selbst aus dieser Gemeinde und wurde in eben jener Kirche konfirmiert und getraut und wohnt mit seiner Familie in Heedfeld, das Teil der kommunalen Gemeinde Schalksmühle ist. Dort engagiert er sich zudem im Gemeinderat und in der freiwilligen Feuerwehr.

 

Die neue Konstellation der drei Gemeinden – die sich über die Gemeinde Schalksmühle sowie die Städte Lüdenscheid und Altena zieht – ist ein Beispiel dafür, dass regionales Denken auch in Kirchengemeinden immer wichtiger wird. Vor allem der fehlende Nachwuchs an Pfarrern und Pfarrerinnen zwingt Gemeinden dazu, in größeren Einheiten zu denken. Thorsten Brinkmeier und Michael Siol machen deutlich, dass mit der offiziellen Besetzung der Pfarrstelle erst der Anfang gemacht ist – Aufgabe sei es jetzt, die Kooperation der Gemeinden „mit Leben zu füllen.“
Dazu wird überlegt, wie die Pfarrer personell unterstützt werden können. Ein Zukunftsmodell der Landeskirche sind sogenannte Interprofessionelle Teams, bei denen Gemeindepädagogen, Jugendreferenten oder auch Angehörige anderer Berufe, je nach Profil der jeweiligen Gemeinden, hinzukommen. Eine solche Stelle soll auch für die drei Gemeinden ausgeschrieben werden. Dafür findet noch ein Abstimmungsprozess statt. Dabei geht es darum, welche Anforderungen welche Gemeinde hat, wo sie personelle Unterstützung braucht, welchen finanziellen Beitrag jede leistet. „Wir können uns viele Lösungen vorstellen“, sagt Brinkmeier.

Aber nicht nur für die Arbeit von Hauptamtlichen gilt es, Gemeinsamkeiten auszuloten und Verbindungen zu schaffen oder auszubauen. Wichtig ist beiden Pfarrern, dass das „auf Augenhöhe“ geschieht, wie Brinkmeier betont, und jede Gemeinde ihr eigenes Profil behält. Zudem gibt es ja auch bereits Kooperationen, die sich bewährt haben. So werden zum Beispiel Gottesdienste abwechselnd in der Friedrichskirche in der Rahmede und im Gemeindezentrum Rathmecke-Dickenberg, einem der beiden Bezirke in Oberrahmede gefeiert. Außerdem gibt es dort eine gemeinsame Konfirmandengruppe.

 

Es gibt auch Verbindungen zu anderen Gemeinden, die nicht gekappt werden sollen. So arbeitet Hülscheid-Heedfeld beispielsweise in der evangelischen Allianz in Schalksmühle mit. Und mit der Kirchengemeinde Schalksmühle-Dahlerbrück teilen sich die Heedfelder mit Jan Fialski einen Jugendreferenten. Oberrahmede wiederum ist in der evangelischen Allianz Rahmede, also in Richtung Altena, eingebunden, und hat mit dem Obdachlosenfreundeskreis eine Gemeindegruppe, die im Lüdenscheider Stadtgeschehen verankert ist. Gerade diese Arbeit sei aber auch eine besondere Herausforderung, sagt Brinkmeier, die sicher wieder hauptamtlicher Unterstützung bedürfe.


Aber: „Es wird alles eng. Der Nachwuchsmangel macht sich bemerkbar“, so Brinkmeier – nicht nur bei Pfarrern. Rechnerisch, so kalkuliert Siol, sind in den vergangenen gut zwei Jahren in den drei Gemeinden etwa vier volle Stellen weggebrochen, von denen er nur eine kompensiert. Es gab zuvor nicht nur insgesamt drei volle Pfarrstellen – jetzt noch zwei – in den insgesamt drei Gemeinden, sondern auch noch einen weiteren Jugendreferenten mit voller Stelle und noch weitere Pfarrer mit einem kleinen Stellenanteil beziehungsweise für Vertretungsdienste. Daher sind die Ehrenamtlichen eine noch wichtigere Säule der Gemeindearbeit als je zuvor – und zwar in der Gruppenleitung und auch für Gottesdienste. Prädikanten – „da ist die Rahmede schon gut aufgestellt“, sagt Brinkmeier – könnten sogar Beerdigungen, Taufen oder Trauungen übernehmen. Für Michael Siol ist das gar nicht verkehrt: „Das ist eigentlich Kirche“, sagt er. Aber „das braucht Anlaufstellen, wo die Fäden zusammenlaufen“, also die Pfarrer. Außerdem sei Ehrenamt „immer noch freiwillig“, betont Brinkmeier. Jeder könne sich so einbringen, wie er wolle. Die Pfarrer müssen parat stehen, wenn das Ehrenamt keine Lösungen bietet. „Wir können alles“, sagt Siol. ©bg

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