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Geheimnisse der Servatiuskirche

20.4.2022

Zur ersten – und je nach Nachfrage – mehrmals jährlich geplanten Führungen durch die Servatiuskirche und Vorstellung der dort vorhandenen kirchenhistorischen Kulturschätze hatte die Evangelische Kirchengemeinde Rönsahl in Person von Küsterin Regina Marcus (r.) jetzt in die Servatiuskirche eingeladen. (Foto: Rainer Crummenerl)
Zur ersten – und je nach Nachfrage – mehrmals jährlich geplanten Führungen durch die Servatiuskirche und Vorstellung der dort vorhandenen kirchenhistorischen Kulturschätze hatte die Evangelische Kirchengemeinde Rönsahl in Person von Küsterin Regina Marcus (r.) jetzt in die Servatiuskirche eingeladen. (Foto: Rainer Crummenerl)

RÖNSAHL + Einem mehrfach geäußerten Wunsch entsprechend, wird die Evangelische Kirchengemeinde Rönsahl künftig von Zeit zu Zeit interessierten Kirchenbesuchern die Möglichkeit bieten, die zahlreichen „Geheimnisse der Servatiuskirche“ in Augenschein zu nehmen und im Rahmen einer fachkundigen Führung näher zu erkunden. Zunächst ist dafür jeweils einmal im Monat ein fester Termin an einem Samstagnachmittag vorgesehen. Als „Reiseleiterin“ mit profundem Fachwissen hat sich dankenswerterweise zu diesem Zweck Presbyterin Regina Marcus, die seit geraumer Zeit in Personalunion auch das Amt der Kirchenküsterin bekleidet, zur Verfügung gestellt. Ein entsprechendes im Eingangsbereich der Kirche ausgelegtes Faltblatt informiert über nähere Details und nennt auch die entsprechenden Termine.

 

Schon bei der erstmals in diesem Rahmen am vergangenen Samstag erfolgten Kirchenführung wurde einmal mehr deutlich, dass die Servatiuskirche, die „gelbe Kirche mitten im Ort“, nicht von ungefähr seit Menschengedenken als absoluter Mittelpunkt von Dorf und Dorfgemeinschaft gilt.

Dieser antiquierte und heute noch verwendete Opferstock gehört zum ältesten Inventar in der Servatiuskirche. (Foto: Rainer Crummenerl)
Dieser antiquierte und heute noch verwendete Opferstock gehört zum ältesten Inventar in der Servatiuskirche. (Foto: Rainer Crummenerl)

Schenkt man alten Unterlagen und Nachrichten, die sich im Volksmund gehalten haben, Glauben, so ist die Servatiuskirche in ihren Grundmauern wohl um die 800 Jahre alt oder mehr, hat also manchen „Sturm der Zeit“ miterlebt. In kriegerischen Zeiten, und davon gab es im Laufe der Jahrhunderte wesentlich mehr als Perioden, in denen die Menschen in unserer Gegend in Frieden leben konnten, diente die Kirche als sogenannte Wehrkirche. Die Bürger zogen sich in Notzeiten in die Kirche zurück, und die wehrhaften Männer des Dorfes nutzen die dicken Mauern des Turmes und die darin eingelassenen Schießscharten als Verteidigungsstand.

 

Der Bericht vom Brand des Dorfes im Jahre 1766 besagt zwar, dass neben 23 Wohnhäusern auch Turm und Kirche niedergebrannt seien, aber die mächtigen Mauern am unteren Turm und das Gewölbe des Turmeingangs sind mit Sicherheit älteren Ursprungs und weisen nach Expertenmeinung auf eine Bauzeit um 1250 hin. Leider besitzt das Pfarrarchiv keine belastbaren Nachrichten über den früheren Kirchbau noch über die genaue Baugeschichte des jetzigen Kirchengebäudes.

 

Wie im Rahmen der Kirchenführung am Rande zu erfahren war, geht man allerdings davon aus, dass es an gleicher Stelle als Vorläufer der steinernen und nach dem großen Dorfbrand unter großen Anstrengungen erfolgten und im Jahr 1768 vollendeten Wiederaufbau der Kirche in ihrer heutigen Form dort vor Zeiten bereits eine Art Halle gegeben haben kann.

 

Es gilt als sicher, dass die Kirche und ihr Interieur von jeher einen hohen Stellenwert im Bewusstsein der Bevölkerung hatten, was nicht zuletzt auch in den zahlreichen im Innenbereich vorhandenen Kirchenschätzen zum Ausdruck kommt. So legt eine deutlich erkennbare Ähnlichkeit des in den verspielten Stilformen von Barock und Rokoko gehaltenen Aufbau gehaltenen Kanzelaltars mit dem Altar in Rosbach an der Sieg die Vermutung nahe, dass man den dortigen Dorfschreiner Jasser für die Arbeit in Rönsahl herangezogen haben könnte. Das Seitenportal der Kirche aus Sandstein stammt, wie die dort angebrachte Inschrift vermerkt, aus dem Jahr 1768.

In früherer Zeit wurden honorige Bürger des Ortes im Chor der Kirche beerdigt. Hier das Teilstück einer steinernen Grabplatte mit dem Familienwappen der Pulverfabrikanten Cramer. (Foto: Rainer Crummenerl)
In früherer Zeit wurden honorige Bürger des Ortes im Chor der Kirche beerdigt. Hier das Teilstück einer steinernen Grabplatte mit dem Familienwappen der Pulverfabrikanten Cramer. (Foto: Rainer Crummenerl)

Zudem erfuhren die Exkursionsteilnehmer, dass die grundlegende Renovierung des Innenbereichs der Kirche im Jahre 1950 durch Professor Thol eine vollständige Neuausmalung des Kircheninneren und damit im Zusammenhang eine vollkommen andere Farbgebung des bis dahin ganz in Weiß gehaltenen Outfits mit sich brachte. Seitdem ist das Kircheninnere mehrfach positiv verändert worden. Alte, bis dahin von Farbe übertünchte Kirchenschätze, wie beispielsweise das zumindest in Fragmenten erhaltene Manifest Martin Luthers „Ein feste Burg ist unser Gott“ an einer Kirchenwand, erst recht die vor einigen Jahren wieder sichtbar gemachten beiden großen Kirchenfenster, die mit ihren bunten Ornamentscheiben die Porträts Martin Luthers sowie Philipp Melanchthons zeigen, oder auch das wiederentdeckte und danach restaurierte frühere Altarbild mit dem Konterfei des Servatius, gelten neben mehreren weiteren kirchengeschichtlichen Raritäten als Beleg dafür, dass die Servatiuskirche als Ganzes zu den besonderen Kleinodien im gesamten Kirchenkreis zählt. Und diese Einschätzung wird nicht zuletzt durch die vor einigen Jahren erfolgte Ausgestaltung der beiden Turmstuben und die erfolgte Restaurierung der historischen Kleine-Orgel zusätzlich unterstrichen.

 

Würden die alten Mauern indes sprechen können, so könnten sie zudem von einer besonderen Begebenheit berichten, die kurz vor der Jahrhundertwende damals im Jahre 1897 wohl das Hauptereignis im Dorf Rönsahl gewesen sein mag: Der Turm der Servatiuskirche erhielt eine neue – die heutige – Turmspitze. ©cr

Das vom Dorfbrand verschont gebliebene Teilstück einer vor Jahrhunderten üblichen Kirchenbank, das einen „Hans zu Kleinen Fastenrath“ als Nutzungsberechtigten dieser Bank ausweist, gehört zu den „Altertümchen“, die in einer der beiden Turmstuben aufbewahrt werden. (Foto: Rainer Crummenerl)
Das vom Dorfbrand verschont gebliebene Teilstück einer vor Jahrhunderten üblichen Kirchenbank, das einen „Hans zu Kleinen Fastenrath“ als Nutzungsberechtigten dieser Bank ausweist, gehört zu den „Altertümchen“, die in einer der beiden Turmstuben aufbewahrt werden. (Foto: Rainer Crummenerl)

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