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Gemeinsam unterwegs - damit sie Hoffnung haben
16.4.2022

von Iris Kannenberg
WERDOHL + Das Ökumene-Forum Werdohl in seiner derzeitigen Form wurde am 13.12.2012 durch den „Arbeitskreis Ökumene“ in Werdohl gegründet. Und feiert somit 2022 seinen 10. Geburtstag. Mit ihm wurde ein breiter Handlungs- und Begegnungsraum im Bereich des religiösen Miteinanders in Werdohl geschaffen.
Der Leitgedanke dahinter: „Gemeinsam unterwegs – damit sie Hoffnung haben.“ Für die Mitglieder ist das Fundament ihr christlicher Glaube. Er trägt sie hoffnungsvoll auch durch schwerste Zeiten. Mit ihrer Arbeit wollen die Mitglieder des Forums vor allem Menschen erreichen, die sich von der Kirche eher distanzieren.
Sie bewegen viel in Werdohl. Dazu gehören der traditionelle Pfingstmontags-Gottesdienst, Taizé-Gottesdienste, die Ökumenische Bibelwoche, ökumenische Schulgottesdienste, Eröffnungsandachten zu Stadtfest und Weihnachtsmarkt und mehr. Projekte wie die Arbeit der „Grünen Damen“, die Werdohler Flüchtlingshilfe und die Werdohler Tafel leben durch die tatkräftige Unterstützung ökumenisch aufgestellter Teams.
Sie engagieren sich für ein respektvolles Miteinander in ihrer Stadt, für die Bewahrung der Schöpfung und für „gelebtes Evangelium“. Werdohl und seine Bewohner als Teil dieser Welt liegen ihnen besonders am Herzen. Die Stadt ist ihre Heimat. Und gerade für die Werdohler Bürger will das Ökumene-Forum Licht und Hoffnung sein in einer Zeit, die von den meisten Menschen als grenzwertig, herausfordernd und sogar beängstigend empfunden wird.
Zum Ökumene-Forum gehören Menschen verschiedenster christlicher Konfessionen. Die insgesamt siebzehn Stammmitglieder des Forums setzen sich aktuell zusammen aus je einem Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde (Dirk Grzegorek) und der katholischen Kirchengemeinde (Pater Kamil), dem Vorsteher der Neuapostolische Kirche (Rainer Dehn), der Schulleiterin der evangelischen Martin-Luther-Grundschule (Britta Schwarze) und der Schulleiterin der katholischen Grundschule St. Michael (Maria Apprecht). Dazu kommen die jeweiligen Leitungen der konfessionellen KiTas Werdohls, wie das Familienzentrum Arche Noah (Melanie Ehlert), die Kita Sternschnuppe (Ilka Hänel), die Kita St. Bonifatius (Helma Neuberger) und die Kita St. Michael (Kim Fenner). Weitere Mitarbeitende kommen aus unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Lebens der Stadt. Zu ihnen gehören so bekannte Werdohler Gesichter wie Marion und Lothar Jeßegus, Christel Kringe, Marianne Janikowski, Bernadette Gnacke, Silvia Budke-Diekmann, Siegfried Heinrich und Rüdiger Schmale.
Ihr gemeinsames Engagement ist in der Stadt sicht- und spürbar und findet viel positive Zustimmung bei den Bürgerinnen und Bürgern Werdohls.
Ich traf mich mit Dirk Grzegorek, dem Ehepaar Jeßegus und Bruder Kamil zu einem Gespräch, in dem noch einmal deutlich wurde, dass das Ökumene-Forum vor allem deswegen funktioniert, weil die Mitglieder sich in großem gegenseitigem Respekt begegnen, der die Gegensätze stehen lässt und die Gemeinsamkeiten ihres Glaubens sucht.
Welche Gemeinsamkeit gibt es denn bei so vielen unterschiedlichen Beteiligten?
Dirk: Unsere Gemeinsamkeit ist der Glauben an Jesus Christus. Unser Leitsatz: „Gemeinsam unterwegs – damit sie Hoffnung haben“ drückt dies präzise aus. ER ist das Fundament unserer Zusammenarbeit. Der Glauben an IHN einigt uns im Ökumene-Forum.
Wann begann eure Zusammenarbeit?
Marion: Der wirkliche Startpunkt war tatsächlich bereits das 900. Werdohler Stadtjubiläum 2001. Zum ersten Mal fand damals am Pfingstmontag ein großer Ökumenischer Gottesdienst mit vielen Vertretern unserer christlichen Gemeinden statt, der inzwischen ein fester Termin im Gemeindeleben der christlichen Kirchen Werdohls ist. Seitdem gab es immer wieder Veranstaltungen, die wir gemeinsam durchgeführt haben. Es entwickelte sich auch ein gemeinsamer Arbeitskreis, der sich seitdem regelmäßig trifft.
Lothar: Ich war lange Zeit im Presbyterium und wünschte mir schon aus dieser Erfahrung heraus, dass Christen zusammenhalten, zusammenkommen, ihre Gemeinsamkeiten entdecken und in der Öffentlichkeit zeigen. Ich bin auf Ludemert in Werdohl aufgewachsen. Dort gehörten schon in meiner Kindheit katholische und evangelische Christen fest zusammen. Ich habe später die Flüchtlingshilfe in Werdohl gegründet und auch dabei ganz praktisch erfahren, dass wir gerade bei großen Projekten aufeinander angewiesen sind. Unabhängig von der Konfession wird jede helfende Hand gebraucht. Enge Zusammenarbeit ist erforderlich, um solche Herausforderung stemmen zu können
Dirk: Wir sind sehr froh, dass das es in unserer Stadt möglich ist, mit der katholischen Kirche zusammenzuarbeiten. Das ist durchaus nicht selbstverständlich. In Werdohl jedoch gibt es zwischen uns eine versöhnte Verschiedenheit, bei der ich zugegeben lernen musste, diese Verschiedenheit zu akzeptieren.
Marion: Gerade in Werdohl ist das ja auch eine langjährig gewachsene Gemeinschaft, die sich gegenseitig unterstützt. Von grundlegender Bedeutung für die Werdohler Ökumenearbeit war und ist hier das Engagement von Pfr. i.R. Schmale zu nennen, der nicht nur während seiner aktiven Dienstzeit stets den Kontakt zu den katholischen Amtsbrüdern gesucht und gepflegt hat. Als Kantorin der Ev. Kirchengemeinde springe ich bei Bedarf immer wieder gern in der Kath. Kirchengemeinde ein, wenn es bei der kirchenmusikalischen Versorgung der Messen eng wird. So durfte ich sogar einige Male in der Osternacht beim höchsten christlichen Fest den musikalischen Dienst übernehmen. Wir respektieren uns einfach und helfen uns gegenseitig, so gut wir können.

Lothar: Auch die evangelischen und katholischen Kindergärten und Grundschulen Werdohls sind beim Ökumene-Forum mit dabei. Dadurch hat zusätzlich eine großartige Belebung des Forums stattgefunden. Wir wollen gerade die Familien, deren Kinder unsere konfessionellen Bildungseinrichtungen besuchen und die vielleicht noch gar keine Beziehung zum Glauben haben, in das Christsein mit hineinnehmen. Glauben erfahrbar machen. Von Kindesbeinen an.
Marion: Wir verfügen in Werdohl über zwei konfessionelle Schulen, was etwas Besonderes ist und worüber wir uns freuen. Vor Corona haben wir regelmäßig jährlich gemeinsame Schulgottesdienste mit den 3. und 4. Klassen gefeiert. Als Musiklehrerin beider Schulen war es mir durch die Liedauswahl möglich, die Schülerinnen und Schüler an der Gottesdienstgestaltung aktiv zu beteiligen. Um die Hemmschwelle gegenüber einem Kirchengebäude zu nehmen, veranstalten wir als Ökumene Forum zudem gezielt Gottesdienste an besonderen Orten, wie z.B. auf den Lennewiesen, am Industriedenkmal Ahehammer oder im Bahnhofscafé Grote. Jeder ist willkommen.
Zum Ökumene-Forum gehört auch die Neuapostolische Kirche, die von vielen Menschen eher kritisch gesehen wird. Wieso ist sie mit dabei?
Dirk: Die Neuapostolische Kirche hat mittlerweile verstanden, dass sie sich öffnen muss. Diese Erkenntnis mag jetzt drei, vier Jahre alt sein. Einfach um rauszukommen aus ihrem ehemaligen Sekten-Image. Wir haben mit ihnen viele Gespräche geführt und waren irgendwann davon überzeugt, dass sie mit ihrem Gaststatus im Arbeitskreis christlicher Kirchen (ACK) beim Ökumene Forum Werdohl ein vollwertiges Mitglied sein soll. Sie haben Jesus im Herzen. Und das eint uns. ER ist eben unser größter gemeinsamer Nenner.
Pater Kamil: Dem stimme ich zu. Es gibt noch so viel Frohe Botschaft von Jesus zu verkünden, da ist für die Unterschiede keine Zeit.
Wie ist euer Verhältnis zur Stadt?
Dirk: Wir hatten immer gute Kontakte zu den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen und in die Kommunalpolitik hinein. Noch vor Kurzem haben wir Gespräche mit Bürgermeister Andreas Späinghaus wegen des Generationenwaldes geführt. Es geht in Abstimmung mit der Stadt um die Umsetzung.
Marion: Grundlage dieser Idee war ein Treffen in der evangelischen Grundschule Werdohl mit der Rektorin Britta Schwarze und Förster Frank Bossong. Das Treffen sollte eigentlich direkt im Wald stattfinden, um den Anwesenden einen Überblick darüber zu geben, welche Schäden der Borkenkäfer bereits angerichtet hatte. Leider war das nicht möglich. Wegen Corona und des schlechten Wetters. Das Treffen wurde damals bereits vom Ökumene-Forum organisiert und fand im kleinen Rahmen als Informationsveranstaltung im Foyer der Martin-Luther-Grundschule statt.
Wir sind gerade als Christen durch den biblischen Schöpfungsauftrag aufgefordert, ein Zeichen gegen den Klimawandel zu setzen, besonders für die Kinder, die dringend Hoffnung für ihr Leben brauchen. So kamen wir auf die Idee mit dem Generationenwald. Förster Frank Bossong sagte damals: „Ein Landwirt sät im Frühjahr und erntet im Herbst desselben Jahres. Forstwirtschaft hingegen ist immer auf Generationen ausgelegt: Ein heute gepflanzter Baum nützt der nächsten und übernächsten Generation. Genauso ist es mit dem Wald. Eine Generation pflanzt für die Nachfolgegenerationen und deren Zukunft.“ Zunächst wurden in einer ersten Aktion klimaresistente Bäume an den konfessionellen Bildungseinrichtungen und Kirchen gepflanzt. Jedoch: „Babywälder“ gibt es erfreulicher Weise bereits in vielen Städten. Wir wollen mit dem „Generationenwald“- Projekt den Blick bewusst auf diese Verantwortung unter den Generationen lenken, denn Bäume sind unser Leben für die Zukunft. Allerdings ist das ein schwieriges Konzept, da es einiger umfangreichen Organisation und Logistik bedarf und zudem das Geld sehr knapp ist, um dieses Projekt umzusetzen.
Lothar: Zu Beginn hatten wir das Projekt „Hoffnungswald“ genannt. Dann fanden wir den Begriff „Generationenwald“ besser, da dieses sich nach einem festen Vertrag zwischen den Generationen anhört. Mittlerweile haben wir schon mindestens 70 Bäume, für die Menschen die Patenschaft übernehmen wollen. Und ein Gelände. So wie es aussieht, wird der Wald auf einer gerodeten Borkenkäferfläche des Hof Crone entstehen.

Werdet ihr in das öffentliche Geschehen der Stadt aktiv mit einbezogen?
Dirk: Wir standen mit unseren Anliegen noch nie vor verschlossener Tür. Ich denke, sie weiß, was sie an uns hat. Wir machen viel gemeinsam. Ökumenische Schulgottesdienste sind z.B. ebenso selbstverständlich wie Gottesdienste vor Beginn des Weihnachtsmarkts und des Stadtfests. Der Kirchraum ist dann immer gut gefüllt mit vielen Vertretern der Politik, die gerne mit uns ins Gespräch kommen wollen.
Marion: Diese Veranstaltungen finden in der Christuskirche, unserer „Kirche im Dorf“, statt, und es sind oft viele Vertreter des Stadtrates zugegen. Häufig ist dabei das Oberhaupt der Stadt durch eine Lesung in die Gottesdienstgestaltung miteingebunden. Ich habe von unserer Zusammenarbeit einen sehr positiven und zukunftsträchtigen Eindruck.
Wie ist die Annahme generell durch die Bevölkerung? In Werdohl leben viele Muslime …
Dirk: Es gibt Projekte, die verschiedenen Kulturen an einem Tisch zusammenzubringen und auch Kontakte zur Ditib. Wir nehmen zudem viel Herzlichkeit und Zugewandtheit von türkischen Menschen uns gegenüber wahr.
Lothar: Gerade die erfolgreiche Werdohler Flüchtlingsarbeit macht Hoffnung, einander näher zu kommen. Wir wünschen uns, mit den Menschen zu reden, respektieren sie und hören ihnen zu. Wir leben alle in dieser Stadt und da darf es nicht sein, dass wir Parallelgesellschaften entwickeln. Ich erfahre zudem gerade von den Muslimen den höchsten Respekt, den man haben kann. Sie wissen aus Erfahrung, dass Kirche aktive Hilfe für sie bedeutet. Es wäre möglich, mehr zusammenzuarbeiten. Die Frage ist, ob die Menschen in unserer Stadt generell bereit dazu sind. Wir haben die Muslime einmal an einem hohen Feiertag besucht, was von ihnen erfreut und dankbar zur Kenntnis genommen wurde. Das Ökumene-Forum kann daher durchaus eine Brücke zwischen den verschiedenen Völkern sein, die in Werdohl leben.
Dirk: Das wird jedoch auch in Zukunft nicht das primäre Thema des Ökumene-Forums sein. Da ist tatsächlich zuerst die Kommune bzw. der Märkische Kreis gefordert, zu einem runden Tisch einzuladen.
Was wünscht ihr euch für die Zukunft des Forums und für die Stadt?
Marion: Wir sind eine offene Gemeinschaft und keine „geschlossene Gesellschaft“. Daher würden wir uns auch über weitere Mitarbeitende freuen. Man kann immer bei uns mitmachen und unsere Arbeit unterstützen. Wenn wir nicht mehr durch Corona gebunden sind, werden wir auch wieder zu Stadtfestgottesdienst etc. einladen.
Lothar: Ich wünsche mir für die Zukunft - gemäß unserem Motto - Hoffnung in die Stadt Werdohl zu bringen. Werdohl ist es wert, sich für die Stadt und die Bürger einzusetzen. Das treibt mich an und lässt mich positiv die Zukunft schauen.
Dirk: Unseren Leitgedanken „Gemeinsam unterwegs – damit sie Hoffnung haben“ nehmen wir ernster als jemals zuvor. Vor uns liegen viele herausfordernde Projekte in einer herausfordernden Zeit, die uns täglich dazu anhalten, Licht und Segen für unsere Stadt zu sein. Wir wollen Hoffnung und Zuversicht an die vielen Menschen weitergeben, die angesichts der nicht endend wollenden und zunehmend existenzgefährdender Probleme genau das jetzt am dringendsten brauchen. ©ik
