Artikel Archiv
Offener Gesprächskreis Bibelverständnis heute
22.2.2018

SCHALKSMÜHLE + Allein von den Textquellen her haben wir ein unheimlich gut belegtes Buch vor uns. Die Einzigartigkeit der Bibel und auseinanderdriftende Meinungen, wie sie zu verstehen ist, machte Pastor Fred Ritzhaupt von der Freien evangelischen Gemeinde am Dienstag beim Offenen Gesprächskreis in der Kreuzkirche Am Mathagen zum Thema eines spannenden Vortrags.
Zum diesjährigen Auftakt der Gesprächsreihe, die sich seit nunmehr 25 Jahren mit Fragen aus Kirche und Gesellschaft befasst, sprach Ritzhaupt unter der Überschrift Staunen und Probleme: Das Bibelverständnis heute über wörtliches Verständnis der Bibel auf der einen und Bibelkritik auf der anderen Seite. Im Thema spiegelte sich die gesamte Spanne, wie weit die Meinungen auseinandergehen. Einerseits bringe die Forschung Faszinierendes ans Licht, andererseits habe sich ein tiefer Graben zwischen beiden Lagern aufgetan. Was die Bibel angehe, gebe es in der gesamten Menschheitsgeschichte nichts Vergleichbares.
Erste schriftliche Zeugnisse des Neuen Testaments (NT) seien bereits 100 Jahre nach der Überlieferung entstanden. Bis Homers Odyssee schriftlich erfasst worden sei, habe es 1 800 Jahre gebraucht. Bei Platon seien es 1 300 Jahre, bei Tacitus 1 400 Jahre gewesen. Nach der Niederschrift seien zudem rund 5 000 Abschriften vom NT entstanden. Es gibt keinen anderen Text der Antike, der annähernd so gut untersucht worden ist wie die Bibel, schlussfolgerte Ritzhaupt. Vom Text her sei die Bibel ein unbezweifelbares Buch. Einzigartig sei zudem, was Übersetzungen betreffe. Wir sind knapp davor, dass die Bibel in alle Sprachen der Welt übersetzt worden ist.
Bis heute würden immer noch hunderttausende von Bibeln verkauft. Die Bibel ist das mit Abstand weit verbreitetste Buch der Welt. Dennoch gehe bereits seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts Kritik an der Bibel massiv durch die Kirche. Bis hin zur Behauptung, die Auferstehung habe nicht stattgefunden, sei die Entmythologisierung gegangen. Die Bibel hat im letzten Jahrhundert gelitten bis in höchste Gremien der Kirche, erläuterte der Pastor. In dem Maße, in dem die Bibel entleert worden sei, seien jedoch auch Menschen aufgestanden, die sich gleichsam für eine Wiederherstellung der Ehre der Bibel einsetzen würden. Das ist eine neue Art der Spaltung. Der Graben ist mittlerweile gewaltig.
Auf die Schwierigkeiten, die Bibel wortwörtlich zu befolgen, und Veränderungen des Urtextes durch Übersetzungen spielte der Pastor an. Die Bibel ist nicht Gott. Gott ist über der Bibel. Aber sie schafft eine Beziehung zu Gott und deshalb ist sie so wertvoll, erläuterte Ritzhaupt. Sie sei ein extrem zuverlässiges Buch und ein Werk, das nicht Buch, sondern Person sein wolle, um mit Gott ins Gespräch zu kommen. Sonst hats keinen Sinn. Bücher wie das griechische Neue Testament von Nestle-Aland, das mit seinem immensen textkritischen Apparat weltweit eine Grundlage für die neutestamentliche Textforschung ist, brachte er zu seinem Vortrag mit. ©MS