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Die Technik-Teams der Kirche - Stille Helden im Hintergrund

5.3.2021

Von Iris Kannenberg

 

LÜDENSCHEID / WERDOHL + Im vergangenen Jahr änderte sich weltweit alles. Auch für die Kirchen. Das erste Mal überhaupt in den vergangenen Jahrzehnten wurden Kirchen geschlossen und Gottesdienste waren nicht mehr möglich. Für die meisten kam dies völlig unerwartet. Und löste eine kurze Schockstarre unter den Christen aus. Auch in Deutschland. Was jedoch kaum jemand erwartet hätte: Die Kirchen wurden sofort aktiv. Ganze Gemeinden stellten sich entschlossen der Herausforderung und gingen... ...ins World Wide Web. Jetzt nach einem Jahr Corona sind die Landeskirchen auf YouTube in einer nie geahnten Präsenz zu finden. Monat für Monat kommen neue Gemeinden hinzu, die das Evangelium nicht nur zu ihren Gemeindemitgliedern in die Wohnzimmer sondern via YouTube in die ganze Welt hinaus senden. Eine Gruppe von Menschen, die man meistens gar nicht wahr nimmt, weil sie halb verborgen hinter irgendwelchen Technikpulten sitzen, spielt bei der digitalen Umsetzung der Gottesdienste eine tragende Rolle: Die Technik-Teams der Gemeinden. Ohne sie, ihren unermüdlichen Einsatz und ihr technisches Know-How, wäre nichts von dem möglich, was gerade in den Kirchen passiert. Einige von ihnen kommen hier stellvertretend für die vielen anderen Teams zu Wort und beschreiben die Herausforderungen, denen sie sich seit gut einem Jahr stellen.

Der Pionier - Jochen Mühleck, Video-Produzent der Evangelische Christus-Kirchengemeinde Lüdenscheid

Jochen Mühleck konnte nach eigener Aussage „mal wieder seine Klappe nicht halten“. Er saß damals kurz vor dem ersten Lockdown in einem der letzten ganz offenen Gottesdienste in der Markuskirche Lüdenscheid und sprach kurzerhand  Pfarrer Sebastian Schulz darauf an, ob es nicht sinnvoll wäre, Gottesdienste online aufzuzeichnen. Kirchenschließungen waren da schon absehbar.  Jochen ist seit 15 Jahren als Filmemacher für unterschiedliche Gemeinden unterwegs. Daher ist alles, was mit Video und Film zu tun hat, genau sein Ding. Sebastian Schulz war für Jochens Anfrage offen und als eine Woche später der harte Lockdown begann, war die Christuskirchen-Gemeinde, zu der die Markus- und die Christuskirche Lüdenscheid gehören, zumindest vorbereitet. Sie begannen fast unmittelbar mit Online-Gottesdiensten. Jochen sagt heute: „Ich durfte schon vorher viele Erfahrungen sammeln. Gott hat mich quasi die letzten 15 Jahre auf die jetzige Situation vorbereitet. Ich kann also mein ganzes Know-How mit einbringen.“

Jochen Mühleck. Er produziert die Videos der Gottesdienste von Markus- und Christuskirche. (Foto: Iris Kannenberg)
Jochen Mühleck. Er produziert die Videos der Gottesdienste von Markus- und Christuskirche. (Foto: Iris Kannenberg)

Der Filmemacher setzt sich voll ein. Für Aufzeichnungen der beiden Gottesdienste geht ein ganzer Tag Freizeit drauf. Mit dem Aufbau seines Equipments, dem Abbau sowie schneiden und hochladen des fertigen Videos bei YouTube. Einfühlungsvermögen für die Menschen vor der Kamera ist dabei gefragt, da sie Zeit brauchen, um sich an die Dreharbeiten zu gewöhnen. Jochens Fazit der letzten Monaten: „Es wird, aber es ist auch noch einiges an Pionierarbeit zu tun.“

 

Vor Corona wurde das Thema „Stream in der Landeskirche“ generell eher stiefmütterlich behandelt, was dazu führte, dass der Lockdown nicht nur die Markus- und Christuskirche kalt erwischte. Jochen sieht die Entwicklung, dass die Landeskirche fast geschlossen ins Web ging, jedoch sehr positiv. Und befürchtet, dass viele Kirchen, sollte Corona vorbei sein, wieder zum reinen Präsenzgottesdienst zurückkehren. Was schade wäre, denn er erkennt als erfahrener Medienmensch in der derzeitigen Internetpräsenz großes Potential: „ So erreichen wir weit über unsere Stadt hinaus Menschen mit der Frohen Botschaft, die sonst niemals ihren Fuß in eine Kirche setzen. Mein Gebet ist, dass wir diese Chance, die sich uns jetzt durch Corona bietet, nun auch konsequent ergreifen. Und das digitale Land, das wir gerade erobern, erfolgreich verteidigen. Um Menschen auch auf ungewöhnlichen Wegen neu für Jesus zu gewinnen. Filmen ist dafür ein Mittel, das in unserer digitalen Welt gerade besonders gut funktioniert und das wir deshalb auch als Landeskirche unbedingt auch in der Zukunft nutzen sollten.“ 

Die Profis - Daniel Scharf und Pascal Grüber, Evangelische Kirchengemeinde Oberrahmede, Lüdenscheid

In der Evangelischen Kirchengemeinde Oberrahmede werden die Gottesdienste aufgezeichnet und wöchentlich ins Web gestellt. Daniel Scharf, Jugendreferent und Gemeindepädagoge leitet – derzeit gemeinsam mit Pascal Grüber - das Technikteam der Gemeinde. Daniel sorgt in dieser Konstellation seit fast einem Jahr dafür, dass alle am Gottesdienst Beteiligten genau wissen, was sie bei den Filmarbeiten wann zu tun haben. Zudem gibt er dem ONLINE-Gottesdienst den letzten Schliff, indem er ihn final zusammenschneidet. Er kümmert sich um`s Rendern des fertigen Films und das Hochladen auf YouTube. Pascal Grüber ist studierter Film- und Medienmann und für alles rund um die Aufzeichnung des Gottesdienstes verantwortlich. Beide sind Medien-Profis mit viel Erfahrung, die sie in den Herausforderungen durch Corona jetzt voll einbringen.

Pascal Grüber (links) und Daniel Scharf (rechts) sind für die Online-Gottesdienste in der Oberrahmede zuständig. (Foto: Iris Kannenberg)
Pascal Grüber (links) und Daniel Scharf (rechts) sind für die Online-Gottesdienste in der Oberrahmede zuständig. (Foto: Iris Kannenberg)

Begonnen hat der Online-Gottesdienst am Küchentisch von Daniel. Er wollte verhindern, dass die Gemeinde, die kurz vor dem Lockdown bereits ihr Pastorin Monika Deitenbeck durch deren plötzlichen Tod verloren hatte, nach den Kirchenschließungen endgültig traumatisiert wurde. Daniels Küchentisch-Videos, die er komplett alleine gestaltete und aufnahm, wirkten auf die Gemeinde wie ein Anker in der schweren Zeit nach Monikas Tod. Daniel sagt heute, dass er der Gemeinde einfach nur dienen wollte. Er machte sich berechtigt Sorgen.

 

In der Oberrahmede fand die Idee von einem regelmäßigen Online-Gottesdienst großen Anklang. Ein gemeinsames Projekt, das nach innen und außen gleichermaßen strahlte und dazu Kontinuität und Zusammenhalt förderte. Durch die guten Verbindungen der Gemeinde zu einem Lüdenscheider Veranstalter kam dann Pascal Grüber ins Spiel. Pascal hatte von Beginn an einen guten Draht zu Daniel. Er blieb und baute gemeinsam mit dem Jugendreferenten die YouTube-Präsenz der Gemeinde auf. Sie sind sich heute beide einig, dass es am Anfang schwierig war, quasi aus dem Nichts ins Web zu gehen. Sie mussten viel lernen, auch den Umgang mit und die Motivation von Menschen, die noch niemals vor der Kamera gestanden hatten.

 

Zugute kam ihnen dabei die Bühnen-Erfahrung, die Daniel Scharf nicht nur als erfahrener Prediger sondern auch als Singer-/Songwriter mitbringt, sowie Pascals Professionalität als Filmemacher. So zeichnen sie mittlerweile die Gottesdienste eines ganzen Monats an einem einzigen Tag auf. Minutiös getaktet folgt ein „Take“ auf den anderen. Auf die Frage, wie es nach dem Lockdown mit den Online-Gottesdiensten weitergeht, antwortet Daniel Scharf: „Ich wünsche mir natürlich wieder Präsenzgottesdienste, so wie früher. Allerdings gehen wir davon aus, dass das noch eine ganze Weile dauern kann. Bis dahin machen wir weiter, werden auf jeden Fall online bleiben. Es ist uns wichtig, die Gemeinde als Gemeinschaft auch weiterhin mit guten Gottesdiensten zu ermutigen. Solange die Situation so ist, wie sie ist, ist das Internet dafür die beste Option.“

Die Überflieger - Das Technik-Team der Kreuzkirche Lüdenscheid

Silas Detering, Mathis Goj, Christoph Klein und Olaf Abraham sind schon lange für die Technik der Kreuzkirche zuständig. Das Team sammelte schon vor Corona viele Erfahrungen mit der Aufzeichnung diverser kirchlicher Events. Alles bereits anspruchsvoll und auf hohem Niveau. Mit dem Video-Dreh eines kompletten Gottesdienstes begannen sie - wie alle anderen – zu Beginn des ersten Lockdowns mit einfachen Aufzeichnungen und der Einrichtung eines YouTube-Kanals.

Silas Detering (ganz links) und Christoph Klein (ganz rechts) voll in Aktion. (Foto: Iris Kannenberg)
Silas Detering (ganz links) und Christoph Klein (ganz rechts) voll in Aktion. (Foto: Iris Kannenberg)

Pfarrer Eckart Link hatte bald den dringenden Wunsch, gemeinsam mit der ganzen Gemeinde Live-Gottesdienste zu feiern. In Echtzeit. Er wollte nicht vorproduzieren, sondern direkt in die Wohnzimmer predigen, da ihm schnell klar wurde, dass auf unabsehbare Zeit nicht mehr alle Gemeindemitglieder zum Gottesdienst kommen konnten. Da bot sich ein Livestream als perfekte Lösung an.

 

Niemand hatte wirklich Ahnung davon. Aber: Kurz vor Beginn des Lockdowns baute das Jugendevent „JesusHouse“ ein großes Studio in der Kirche auf und sendete sieben Tage lang live aus der Kreuzkirche in die ganze Republik hinaus. Das Technik-Team konnte vor Ort beobachten, wie man professionell arbeitet und einen ganzen Gottesdienst digital umsetzt. Für das Team der Kreuzkirche im Nachhinein eine echte Führung Gottes.

 

Gelohnt hat es sich auf jeden Fall. Die Kreuzkirche liefert Sonntag für Sonntag glasklare Bilder eines sehr lebendigen Live-Gottesdienstes. Und stellt ihre Technik anderen christlichen Veranstaltungen ebenfalls zur Verfügung. Eben erst sendete die Evangelische Allianz Lüdenscheid während ihrer Gebetswoche live aus der Kreuzkirche hinaus zwei Gottesdienste mit jeweils um die 1000 Klicks, die auch jetzt noch Feedbacks aus ganz Deutschland bekommen. Weihnachten schauten sich 1800 Familien das Kreuzkirchen-Krippenspiel vor den Fernsehern an.

 

Auf die Frage, ob er denn aufgeregt sei, wenn so eine Sendung losginge, antwortet Techniker Silas Detering: „Am Anfang ja, nach ein paar Wochen war es dann bereits Routine. Ich hatte ja auch schon vorher einige Erfahrung mit der Technik der Kreuzkirche. Den Livestream begonnen haben wir übrigens mit „Barefoot“, unserem Jugendgottesdienst. Quasi als Pilotprojekt. Um das ganze einfach mal auszutesten. Einige von uns haben dafür eine Woche vorher angefangen, die neue Technik, aufzubauen, sie  auszuprobieren und einzurichten. Das war schon ziemlich aufwendig. Durch „JesusHouse“ hatten wir bereits Glasfaser-Kabel in der Kirche. Ohne Glasfaser wäre ein Livestream gar nicht möglich gewesen. Gott hat da einfach bestens vorgesorgt, eines kam zu anderen. Und hat gepasst. Die Stimmung in unserem Team ist nach wie vor sehr gut. Ich finde das wirklich cool. Und natürlich ist es jedes Mal erneut eine spannende Abwechslung von meinem derzeitigen Homeoffice-Alltag als Student, auf die ich mich immer wieder freuen darf;).

Die Visionäre - Das Technik-Team der EKG Friedenskirche Werdohl

Das Technik-Team der Friedenskirche musste, genau wie alle anderen Kirchen, schnell handeln, als der erste Lockdown begann. Bernd Axmann, Marco und Moritz Malms, Herbert Bast, Lucas Grammel und Pfarrer Dirk Grzegorek waren sich einig darin, dass man in Zeiten geschlossener Kirche den Kontakt zur Gemeinde nicht verlieren durfte. Sie setzten zunächst auf die Video-Aufzeichnungen von Gottesdiensten, die jeden Sonntag auf YouTube abrufbar sein sollten. Der erste Schritt dahin war die Errichtung eines Mini-Fernsehstudios im Keller der Kirche. Ein eher zaghafter und dennoch erfolgreicher Versuch. Zu Beginn und ohne nennenswerte Erfahrung jedoch auch ein riesiger Aufwand, da alle Mitwirkenden Neulinge auf diesem Gebiet waren. Mit dem Schneiden der Filme, zig Wiederholungen bei den Filmaufnahmen und dem Hochladen bei YouTube gingen da schon mal 20 Stunden für einen Gottesdienst drauf. Learning by doing, sagen sie heute. Bereits nach wenigen Wochen fassten sie den Beschluss, nicht mehr aus dem Keller, sondern direkt aus der Kirche heraus einen Gottesdienst zu senden. Live. Dazu nahm die Gemeinde viel Geld in die Hand und investierte in neue Hardware, ohne die eine technisch einwandfreie Produktion aus der Kirche heraus nicht möglich gewesen wäre.

Das komplette Technik-Team der Friedenskirche kurz vor dem sonntäglichen Livestream. (Foto: Iris Kannenberg)
Das komplette Technik-Team der Friedenskirche kurz vor dem sonntäglichen Livestream. (Foto: Iris Kannenberg)

Heute sendet die Friedenskirche jede Woche einen kompletten Gottesdienst per YouTube, der von Dirk Grzegorek koordiniert wird. Alle Techniker sagen übereinstimmend, dass sie viel Zeit investieren, um diesen Gottesdienst möglich zu machen. Die Idee zu einem digitalen Gottesdienst wurde aus Corona heraus geboren. Das Team sieht daher eine Zeit wie diese auch als Chance auf etwas ganz Neues.

 

Bernd Axmann meint dazu: „Wir wären nie auf die Idee gekommen, ohne Corona live zu streamen. Diese Herausforderung hat uns in Bewegung gebracht. Wir wollten alle etwas tun und nicht nur herumsitzen und abwarten.“  Marco Grammel ergänzt: „Wir haben einen anderen Blick dafür bekommen, was möglich ist. Unser Anspruch war von Beginn an, professionell zu sein und zu geben, was man nur geben kann.“

 

Alle zusammen fühlen sich inspiriert und irgendwie aufgewacht. Sie denken bereits weit über Corona hinaus und wünschen sich auch für die Zeit nach den Lockdowns eine sogenannte Hybridlösung aus Präsenz- und Digitalgottesdiensten. Dirk Grzegorek formuliert das so: „Wir wollen einfach weitermachen, da wir erkannt haben, dass wir über YouTube Menschen erreichen, die bisher gar nicht auf den Gedanken gekommen sind, eine Kirche zu betreten. Vielleicht sehen manche von ihnen nun Sonntag für Sonntag zu und fühlen sich von unserem Gemeindeleben angezogen. Und kommen irgendwann tatsächlich bei uns vorbei, um uns kennenzulernen. Wir engagieren uns auch zunehmend in den Sozialen Medien und arbeiten dafür mit einer professionellen Agentur zusammen. Wir haben die Vision, so viele Menschen zu erreichen, dass wir später vielleicht sogar zwei Gottesdienste am Sonntag durchführen dürfen. Einfach, weil die Kirche so voll ist. Für uns sind die digitalen Möglichkeiten, die wir jetzt haben, nur der Anfang. Und eine große Chance, als Kirche gerade dann präsent zu sein, wenn sie am meisten gebraucht wird.“ ©IK

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